Konzertreihe in Neuss Schöpferischer Prozess im Zeughaus

Neuss · Pavel Kolesnikov zeigte bei seinem Konzert in Neuss auch seine eigene Entdeckerfreude. Als Ausgangspunkt seines roten Fadens hatte er Franz Schubert gewählt und leitete über zur französischen Romantik und Spätromantik.

 Der Pianist Pavel Kolesnikov bei seinem Konzert im Zeughaus.

Der Pianist Pavel Kolesnikov bei seinem Konzert im Zeughaus.

Foto: Andreas Woitschützke

Selten gibt es in diesen Tagen einen so treffenden Rat, wie ihn Moderator Matthias Corvin dem großen Albert Schweitzer zuschreibt. „Aus dem Elend der Welt“, so ließ der Tropenarzt einst verlauten, „finden Musik und Katzen.“ Musik lenke ab, betonte der Musik-Journalist Corvin, ohne dass er auch noch Katzen bemühte. Und es traf ja auch auf der Stelle zu: Wenn ein so außergewöhnlicher Pianist wie der in Moskau geborene und in England lebende Pavel Kolesnikov (33) aufspielt, dann bannt er die gegenwärtigen politischen Nöte zumindest für zwei Stunden.

Schlagartig bekannt wurde der Pianist durch eine Serie von ersten Preisen bei Klavierwettbewerben, und doch gibt es kaum deutschsprachige Tonträgerbesprechungen. Bach, Mozart und Tschaikowsky sind ihm bestens vertraut, jedoch am Sonntag folgte Kolesnikov wieder seiner eigenen Entdeckerfreude. Damit verblüfft er immer die Konzertsäle. Und so hatte er dieses Mal Franz Schubert als Ausgangspunkt seines roten Fadens gewählt und leitete über zur französischen Romantik und Spätromantik.

Auf seinen ausdrücklichen Wunsch sollte das kennerische Publikum nicht zwischen den einzelnen Stücken applaudieren, und so konnte ein regelrechter schöpferischer Prozess vor aller Augen und Ohren ablaufen. Ihre Stücke steuerten bei Louis Couperin, Reynaldo Hahn, Gabriel Fauré und César Franck. Von Louis Couperin, weniger bekannt als sein Neffe Francois, waren „Prélude non mesuré“ zu hören, die ausdrücklich ohne Taktangabe gesetzt sind und damit der Improvisation freien Raum geben. Reynaldo Hahn trug Auszüge aus seinem Hauptwerk „Die verzweifelte Nachtigall“ bei. Von Gabriel Fauré erklang ein Nocturne. Und César Franck brillierte mit „Prélude, choral et fugue“.

Im Innersten waren diese vom Pianisten ausgewählten Klänge bei all ihrer Verschiedenheit sämtlich doch miteinander verbunden. Mehr noch: Während die vier Stücke von Franz Schubert auf der Stelle Vertrautheit bewirkten, entstand diese Intimität auch bei den gewählten konzertanten Newcomern. Pavel Kolesnikov spielte äußerst konzentriert, vermied Posen und kam auch nie in Versuchung, sich als Tastenlöwe zu gerieren.

So war diese Matinee ein wahrer Genuss, lenkte die Aufmerksamkeit ausschließlich auf das Hören und Fühlen und drängte das Geschehen in einem Nachbarland gleich nebenan für zwei konzertante Mußestunden in den Hintergrund. Und wer Albert Schweitzer in allem Recht geben will, der sollte zur Entspannung anschließend auch noch die heimische Katze streicheln.

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