Schreibwarenladen in Neuss schließt Nach 55 Jahren ist Schluss mit Radiergummi & Co.

Norf · Der Laden an der Norfer Schulstraße macht zu – nach 55 Jahren an dieser Stelle und 60 Jahren insgesamt in Norf ist am 15. August Schluss. Aktuell läuft die Suche nach einem Nachfolger.

Ein wenig Wehmut ist schon dabei, wenn Jutta Weiß durch ihr Schreibwarengeschäft geht, da und dort noch etwas umräumt, zusammenstellt oder in die Zehn-Cent-Kiste legt. Die ist wie eine kleine Fundgrube mit Pixie-Büchern, grün ausgelegten Körben für Ostereier oder rot-leuchtendem Lametta. Zehn Cent pro Produkt sind ein Spottpreis, doch die Alternative wäre, die Sachen einfach wegzuwerfen. Denn der Laden an der Norfer Schulstraße macht zu – nach 55 Jahren an dieser Stelle und 60 Jahren insgesamt in Norf ist am 15. August Schluss.

Die 66-Jährige hat das Geschäft, das zunächst als Drogerie und Lotto-Annahmestelle gegründet worden war, vor 40 Jahren von ihren Eltern übernommen, und seit 1981 keinen Tag Urlaub gemacht. 40 Jahre hat sie unter anderem Blei- und Buntstifte, Pinsel, Zeichenblöcke, linierte und karierte Hefte in allen Größen, Radiergummi, Glückwunschkarten, Zeitungen und Zeitschriften verkauft. Auch Lottoscheine gehörten dazu. Ob einer ihrer Kunden mal einen Hauptgewinn gezogen hat, kann sie nicht sagen. Und sie hat nicht nur Angenehmes erlebt. Zwei Mal, im vergangenen Jahr und 2018, ist ihr Geschäft auch überfallen worden, stand jedes Mal ein maskierter Mann, einmal mit Messer, einmal mit einer Pistole, vor ihr und forderte das Geld aus der Kasse. An die Angst, die sie hatte, erinnert sich Jutta Weiß noch gut, doch sie hat weiter gemacht, Tag für Tag. Doch einmal müsse ja Schluss ein, sagt sie. Und in einer Zeit, wo auch unabhängig von Corona viele im Internet bestellen, hätte so ein kleiner Läden kaum noch eine Chance.

Einen Nachfolger, der die Familientradition fortsetzt, hat sie bis jetzt nicht gefunden, und hat auch nicht viel Hoffnung, dass sich noch jemand meldet. Ihr Wunsch: bis zum 15. August noch möglichst viel Ware verkaufen. Daher wurde auch alles, was der Keller zu bieten hat, „nach oben“ geholt. Und so blickt der Kunde im Hochsommer auf Oster-Deko, Pechfackeln, eingekauft für abendliche Schützenumzüge, die nun wegen Corona nicht stattfinden, Laternenstöcke, die in diesem November auch keine Verwendung finden werden, und Kommunions- und Konfirmations-Artikel. Überraschend groß: das Sortiment an Geschenkbändern in nahezu jeder Farbe und Breite sowie die dazu passenden Geschenkpapierbögen. Verkauft werden im übrigen auch Regale, Kartenständer und eine Verkaufstheke. Jutta Weiß wird nichts mitnehmen, wenn sie bald auch ihre Wohnung über dem Geschäft verlässt und zu ihrer Schwester nach Hessen zieht.

Karl Meurer ist ein begeisterter Lotto-Spieler. Auf die Nachfrage nach Gewinnen lächelt er nur. Aber ihm tue es sehr leid, dass „sein Lädchen um die Ecke“ schließt. „Knapp 30 Jahre lebe ich in Norf, sicher genauso lang komme ich regelmäßig hierhin“, sagt er. Geschlossen hatte der Schreibwarenladen während der Corona-Pandemie übrigens nie. „Das mussten wir nicht, weil wir auch Zeitungen verkaufen und Pakete annehmen“, sagt Weiß. Tapfer wird sie auch die letzten Tage verkaufen, beraten und mit dem ein oder anderen Kunden ein Schwätzchen halten. Die Öffnungszeiten ändern sich bis zum Ende nicht: montags bis freitags von 8 bis 12.30 und von 14.30 bis 18.30, samstags von 8 bis 13 Uhr.

Und wer denkt, dass der Laden doch Wert wäre, erhalten zu bleiben, und ihn übernehmen möchte, der sollte sich unter 02137 2416 melden.

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