Atelier in Neuss schließt „Licht aus“ im Fotostudio Meister

Neuss · Hans-Jörg Meister, Fotograf in fünfter Generation, hat sein Studio an der Krämerstraße geschlossen. Ganz weg ist er aber noch nicht.

Das Interesse an einem völlig neuen Medium steht am Anfang einer langen Familientradition, die 1862 in Bautzen begann, als Oscar Meister zu einem Pionier der Fotografie wurde und sich ein Tageslicht-Atelier einrichtete. Fünf Generationen später sind es wieder neue Medien, die diesem Handwerk Stück für Stück den Boden und die Geschäftsgrundlage entziehen. „Die digitale Technik hat uns sehr zugesetzt“, gibt Hans-Jörg Meister zu, der auch aus diesem Grund keinen Nachfolger für sein Studio an der Krämerstraße finden konnte.

 Hans-Jörg Meister schließt sein Fotostudio.

Hans-Jörg Meister schließt sein Fotostudio.

Foto: Fotostudio Meister

Dass er den Laden zur Jahreswende schloss, hat aber auch mit Meisters Alter zu tun. Im Juli 1955 noch in der sächsischen Kreisstadt Bautzen geboren, hat er die Pensionsgrenze erreicht. Aber ganz weg ist er nicht. Über einen Nachbestellservice für archivierte Aufnahmen hinaus kann man ihn weiter für bestimmte Anlässe buchen, wie zum Beispiel für Hochzeiten. Dieses Geschäft habe das Fotostudio groß gemacht, sagt Meister über seinen Vater Rolf, der mit Familie, einer Aktentasche und zwei Kameras aus der DDR floh und in Neuss einen Neuanfang wagte.

1959 fand er das Ladenlokal Krämerstraße 9, in dem vorher schon ein anderer Fotograf seine Dienste angeboten hatte. Doch schon zum silbernen Firmenjubiläum 1984 verdüsterte sich die Perspektive. „Quo vadis photographicus?“, fragte Rolf Meister damals mit Blick auf die Zukunft seiner Branche. Dabei war zu jener Zeit an die Allgegenwart von Kameras, die das Smartphone auf die Spitze trieb, gar nicht zu denken.

Am Silvestertag 1988 übernahm Hans-Jörg Meister das väterliche Geschäft. Da war die Tinte auf seinem Meisterbrief noch nicht ganz trocken. Seine Ausbildung hatte der Junior 1972 bei einem Düsseldorfer Unternehmen absolviert und sich im Anschluss an die Bundeswehrzeit ab 1977 erst für die Presse- und Werbeabteilung des Automobilzulieferers Pierburg unter Vertrag nehmen lassen. Der Job machte den Porträt- und Werbefotografen Meister zu einem Weltenbummler, der viele Messen besuchte. Persönliches Highlight war allerdings der Auftrag, einen von Pierburg ausgerüsteten und bei der Rallye Monte Carlo startenden Sportwagen spektakulär in Szene zu setzen. 14 Tage war Meister dafür in Südfrankreich vor Ort. Die Tatsache, dass Pierburg vom Konzern Rheinmetall aufgekauft wurde, der eine eigene Werbeabteilung unterhielt, machte Meister die Entscheidung leicht, das Angebot des Vaters anzunehmen.

Als Meister Junior sein eigener Herr wurde, gab es noch mehrere klassische Fotoateliers wie Wickrath und Bathe (vormals Kleu). „Heute sind sie eine aussterbende Art in Neuss“, sagt Hans-Jörg Meister, der als letzter sein Ladenlokal schließt. Sich 32 Jahre lang als Selbständiger überhaupt behaupten zu können, hieß für Meister aber auch, alle technischen Neuerungen mitzumachen. Das Labor, in dem Filme entwickelt und Papierabzüge hergestellt wurden, ist längst digitalen Arbeitsweisen gewichen. „Vom Computer hatte ich früher keine Ahnung. Das musste ich alles lernen“, sagt Meister. So verschwanden auch die Aufnahmen vom Neusser Schützenfest, die er früher jeden September abzog und ins Fenster hängte, längst in einer Cloud.

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