Praxistest in Neuss Mit dem Schulbus unterwegs

Neuss · Die Stadtwerke tun viel, damit sich Fahrgäste im Schulbus sicher fühlen. Offenbar mit Erfolg, wie der Praxistest zeigt.

 Endstation Schulzentrum Neuss: Der Schulbus leert sich innerhalb von Sekunden.

Endstation Schulzentrum Neuss: Der Schulbus leert sich innerhalb von Sekunden.

Foto: Andreas Woitschützke

„Die Schüler gucken nur noch auf ihr Smartphone!“ Was vielfach als Kritik geäußert wird, ist für Martin Gutsch durchaus positiv. Seit mehr als 30 Jahren ist er Busfahrer bei den Stadtwerken Neuss und fährt sehr oft morgens, wenn unzählige Schüler in die Busse einsteigen. Er stellt fest: „Seitdem fast jeder Schüler ein Smartphone besitzt, ist es im Bus bedeutend leiser geworden – und es wird längst nicht mehr so viel Blödsinn gemacht.“

Auch am Donnerstagmorgen, in der Linie 843 E, die pünktlich um 7.14 Uhr an der Maubisstraße in Kaarst gestartet ist, ist es vor allem eins: leise. Nach rund fünf Stationen hat sich der Bus kontinuierlich gefüllt und fast alle Sitzplätze sind belegt. Doch im ganzen Bus gibt es nur ein einziges Gespräch: Zwei Jungs, die den Schulrucksack noch auf dem Rücken haben und deshalb nur auf der vordersten Kante ihrer Sitze sitzen, üben das Große Einmaleins. Der Rest der Fahrgäste schaut auf sein Handy, wischt oder tippt fleißig oder trägt Kopfhörer und lauscht. Zwei Mädels teilen sich den Kopfhörer und wippen leicht im Takt mit. Eine einzige Schülerin ist in ihre Unterlagen vertieft und scheint sich auf eine Prüfung oder ähnliches vorzubereiten.

Was zur Schulzeit vieler Erwachsener noch üblich war – dass auf der Fahrt zur Schule noch schnell die Hausaufgaben erledigt oder abgeschrieben wurden - gibt es zumindest bei dieser Fahrt nicht mehr.

 Martin Gutsch fährt seit 35 Jahren Schulbus. Dass viele Kinder heute auf der Tour in ihr Smartphone schauen, empfindet er als Segen.

Martin Gutsch fährt seit 35 Jahren Schulbus. Dass viele Kinder heute auf der Tour in ihr Smartphone schauen, empfindet er als Segen.

Foto: Andreas Woitschützke

Auch das „Schieben, Schubsen, Meckern, Motzen“, wie Rolf Zuckowski es noch in seinem „Schulbus-Lied“ von 1981 schildert, findet bei dieser Fahrt nicht statt. In Höhe der  Haltestelle Wolbero-Straße ist der Bus zwar gut gefüllt, aber es ist immer noch so viel Platz, dass nicht mal die Tornister auf den Rücken der Kinder stören. Entsprechend entspannt ist die Lage auch beim Anfahren der Haltestellen. Vor den Türen gibt es kein Gedränge, alle steigen gesittet ein, niemand blockiert die Türen.

Für Timour, Emir und Safa kommt das nicht unerwartet. „In dem Bus hier ist es immer was leerer“, erklären die Fünftklässler. Denn die meisten ihrer Mitschüler würden einen der früheren Busse nehmen. „Aber mit dem hier sind wir immer noch pünktlich“, sagt Emir. Deshalb würden sie sich lieber für diesen entscheiden.

Viele Berufsschüler teilen diese Einstellung offenbar, denn an der Weingartstraße leert sich der Bus schlagartig und fast alle, die aussteigen, gehen Richtung Berufsbildungszentrum. Die wenigen Fahrgäste, die nun noch im Bus sind, bleiben alle bis zur Endhaltestelle, dem Schulzentrum an der Weberstraße, sitzen, dann leert sich der Bus in Sekunden.

Bevor es jedoch zurück zu den Stadtwerken geht, steht für Busfahrer Gutsch noch eine Sonderfahrt für eine Grundschule an. Als diese Schüler nun in den Bus steigen, wird es schlagartig laut. Es wird erzählt, gelacht, gerufen, eine Mütze fliegt quer durch den Bus. Und obwohl für jedes Kind ein Platz frei ist, dauert es eine kleine Weile, bis wirklich alle sitzen. „Heute Mittag, wenn es zurück geht, wird es dann aber erst so richtig laut“, weiß Gutsch. Zumindest auf dieser Tour  fühlt man sich an die eigenen „Schulbus-Fahrten“ erinnert.

Bei den Stadtwerken kennt man diesen Übermut und hat deshalb die „Busschule“ etabliert. Bei diesem Angebot, das sich an die Viertklässler richtet, lernen die Schüler, wie sie sich im Bus und an der Haltestelle verhalten sollen, um Unfälle und Gefahrensituationen zu vermeiden. „Die Busschule soll für die Kinder als Vorbereitung auf den Wechsel an eine weiterführende Schule dienen“, sagt Stadtwerkesprecher Jürgen Scheer. Denn für viele Kinder ist der Wechsel mit einem weiteren Schulweg verbunden, der dann oft mit Bus und Bahn zurückgelegt werden muss. Die nächste Busschule, die am Montag (2. März) beginnt und erst mit Beginn der Osterferien endet, ist bereits der 17. Durchgang seit ihrem Start im Jahr 2020 und wird 1200 Kinder erreichen.

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