Michael Engels hört als Ausbildungsleiter bei Westnetz auf Der mit dem Leguan lehrt

Neuss · Seit 42 Jahren arbeitet Michael Engels für Westnetz und seine Vorgängergesellschaften. Ende Mai hört der Ausbildungsleiter auf. Was bleibt ist eine besondere Initiative.

 Michael Engels leitet die Ausbildungswerkstatt von Westnetz an der Collingstraße. Sein Hobby sind Reptilien. Die exotischen Tiere hat er auch in das Ausbildungsprogramm aufgenommen.   Fotos: Judith Meuter, Ludger Baten

Michael Engels leitet die Ausbildungswerkstatt von Westnetz an der Collingstraße. Sein Hobby sind Reptilien. Die exotischen Tiere hat er auch in das Ausbildungsprogramm aufgenommen. Fotos: Judith Meuter, Ludger Baten

Foto: Judith Meuter

Der Weg in sein Büro vermittelt gemischte Gefühle: links Werkbänke, rechts ein poolartiges Aquarium. Von seinem Schreibtisch fällt der Blick auf ein fenstergroßes Terrarium, in dem ein mächtiger Leguan chillt. „Den Tieren geht es supergut“, sagt Michael Engels, „dafür sorgt modernste Technik. Computergesteuerte Tag/Nacht-Simulation sowie Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsregelung.“ Was wie Aquazoo aussieht, ist in Wahrheit die Werkstatt, in der Westnetz in Neuss junge Menschen zu Elektronikern für die Betriebstechnik ausbildet.

Exotische Tiere in der Werkstatt? Ja. Sie sind Teil des Ausbildungsprojektes; und das seit zwanzig Jahren. „In diesem Zeitraum wurden sie zu unserem Markenzeichen“, sagt Michael Engels, „ein Markenzeichen für Westnetz am Standort Neuss, Collingstraße 2.“ Als Antwort auf die Frage nach dem Warum zählt Engels Stichworte auf: Sozialkompetenz fördern, Verantwortungsbewusstsein schärfen, Teamgeist entwickeln. Die Auszubildenden füttern und pflegen die Tiere. Auf diese Weise lernen sie Verantwortung zu übernehmen, ein wichtiger Aspekt für ihre berufliche und private Zukunft. Zugleich haben sie Gelegenheit, ihr fachliches Können konkret in technische Lösungen umzusetzen, die auch dauerhaft genutzt werden. Ein Erfolgserlebnis. So seien alle technischen Installationen, einschließlich des Programmierens der computergesteuerten Regelung der Luft im Terrarium, „von uns selbst gemacht“, wie Engels betont.

Mit dem Engagement von Michael Engels hat es sein Hobby Reptilien zum Ausbildungsfaktor gebracht. Schon seit seiner Jugend kümmert sich Engels liebevoll um exotische Tiere, die er meist als so genannte Fund- oder Abgabetiere übernimmt. Als vor Jahren einige Tiere für die Terrarien zu Hause zu groß wurden, kam ihm die Idee, sie an seinen Arbeitsplatz umzusiedeln und sie ins Ausbildungsprogramm einzubeziehen.

Das Unternehmen, so gibt er heute zu, sei „nicht begeistert“ gewesen, doch er konnte seine Chefs überzeugen. Heute gibt ihm der Erfolg Recht und seine Initiative lebt weiter, wenn er Ende Mai in die passive Phase seiner Altersteilzeit wechselt. Sein Nachfolger Adrian Kampa ist schon da und macht da weiter, wo Michael Engels aufhört. Eine Staffelstabübergabe. Dann ist für den 58 Jahre alten Ausbildungsleiter Schluss. Seit 42 Jahren ist er im Unternehmen, seit 35 Jahren engagiert er sich in der Ausbildung, qualifizierte mehr als 500 junge Frauen und Männer bei Westnetz und den Vorgängergesellschaften für den Beruf. Als er 1977 kam, war vieles anders. Doch die Veränderungen, die immer wieder für ein neues Berufsbild sorgten, machten seine Arbeit auch spannend: „Letztlich geht es um lebenslanges Lernen.“

Michael Engels ist eine Persönlichkeit, die sich sozial engagiert. Unter den aktuellen Auszubildenden sind zwei Flüchtlinge. Der Syrer und der Afghane kamen über die Unternehmerinitiative Kompass D zu Westnetz, überzeugten, erhielten einen Ausbildungsvertrag und stehen jetzt, drei Jahre später, vor der Abschlussprüfung als Facharbeiter. „Wenn sie bestehen“, daran zweifelt Engels nicht, „erhalten sie eine einjährige Festanstellung mit Option für eine Entfristung.“

Angst vor Langeweile im Ruhestand hat Michael Engels nicht. Zu hause pflegt er Leguane, Schildkröten und Schlangen, spielt Saxophon und baut an seinem Eigenheim: „Ein hundert Jahre altes Haus bedeutet hundert Jahre Arbeit.“ Er bleibt Vorsitzender des Prüfungsausschusses für Elektroberufe bei der IHK, mit jungen Erwachsenen arbeitet er in der Pfarrei Christ-König, koordiniert die Patenschaft mit der Notschlafstelle für drogenabhängige Obdachlose in Köln. Da machen auch seine Auszubildenden mit. Sie spenden einen Euro pro Monat von ihrem schmalen Entgelt für das Projekt; am Ende kommen Jahr für Jahr tausend Euro für die Notschlafstelle zusammen.

 Michael Engels (2.v.l.) mit Daniel Höner, Jan Gerst und Ahmad Aeed.

Michael Engels (2.v.l.) mit Daniel Höner, Jan Gerst und Ahmad Aeed.

Foto: Ludger Baten

Was nimmt er aus seinem langen Berufsleben als Ausbildungsleiter mit? „Meine Jungs, meine Mädels haben sich in all den Jahren verändert“, sagt Engels, „aber nicht in dem Ausmaß wie viele Erwachsene glauben. Verändert hat sich vor allem das Umfeld.“ In dieser Gleichung bleiben die Tiere in der Werkstatt die Konstante. Der Umgang mit ihnen steht damals wie heute für Sozialkompetenz, Verantwortungsbewusstsein und Teamgeist. Das zählt. Das bleibt – auch wenn Michael Engels jetzt geht.

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