Weltkulturerbe-Projekt Limes Neuss erforscht sein römisches Erbe neu

Neuss · Die Bewerbung um die Anerkennung des Limes als Weltkulturerbe hilft, Antwort auf noch offene Fragen zu finden.

 Das Bild zeigt eine Animation der Via Praetoria.

Das Bild zeigt eine Animation der Via Praetoria.

Foto: Dietrich Rothacher

Das Verfahren, an dessen Ende die Anerkennung der antiken Grenzbefestigung Limes als Unesco-Weltkulturerbe stehen soll, schafft auch die Gelegenheit, vor Ort Wissenslücken über die Römerzeit zu schließen. Möglichst noch in diesem Jahr möchte das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland südwestlich der alten Römerstraße am Reckberg Hinweisen auf eine römische Zivilsiedlung nachgehen. Dass es die gegeben haben muss, sei inzwischen unstrittig, sagt Steve Bödecker, der Limes-Verantwortliche beim Landschaftsverband. Details zu Größe oder innerer Struktur kennt man nicht.

Die geophysikalische Untersuchung soll an einer Stelle ansetzen, wo ein römisches Rasthaus, eine Mansio, vermutet wird. Werden diese Untersuchungen vor der Abgabe des Weltkulturerbe-Antrags im Januar 2020 nicht abgeschlossen, wird das Projekt in einem Managementplan aufgelistet. „Die Unesco“, sagt Bödecker, „sieht es gerne, wenn ein Thema weiterverfolgt wird.“

Carl Pause, Archäologe des Clemens-Sels-Museums, könnte diesen Managementplan leicht verlängern. Auf Einladung des Forum Archiv und Geschichte referierte er jetzt, was man über die Römerzeit in Neuss weiß – und was nicht. Trotz inzwischen 130-jähriger Foschungsgeschichte. Sein persönlicher Wunsch wäre es, die Militärgeschichte weiter zu aufklären. „Was wir über die Holz-Erde-Lager wissen, ist nicht viel“, sagt er mit Blick auf die ersten Militärlager, die noch nicht aus Stein gemauert waren. Und auch zu den festen Lagern wie demjenigen, das Constantin Koenen 1887 im heutigen Gnadental dokumentierte, tauchen immer neue Fragen auf. Meist geht es um Datierungen. „Der steinerne Ausbau erfolgte offensichtlich bereits unter Kaiser Claudius“, sagt er mit Blick auf eine Untersuchung römischer Ziegelfunde – und damit früher als bisher angenommen. Andererseits, so schlussfolgert er in einem Beitrag für das aktuelle Jahrbuch Novaesium, bestand das letzten Alenlager, Heimat einer Hilfstruppe, bis in das vierte Jahrhundert hinein – und damit länger als bisher gedacht.

Eine weitere offene Frage ist der Standort des römischen Hafens, den man fälschlicherweise in Höhe des heutigen Sporthafens vermutet hat. Aber vermutlich warten noch mehr Dinge darauf, entdeckt zu werden. Denn die Grabungen, die vor der Bebauung des heutigen Gnadental in den 1950er und 60er Jahren gemacht wurden, sind noch immer nicht vollständig aufgearbeitet. Sichergestellte Bodenfunde wie auch Dokumentationen der Grabungen liegen beim LVR in Bonn. Diesen Schatz zu heben, gehe nicht nebenbei. „Daraus müsste ein richtiges und über Jahre betreutes Forschungsprojekt werden“, sagt Pause. Dessen sei man sich auch beim LVR bewusst, ergänzt er. Er erhofft sich durch eine Anerkennung des Limes als Weltkulturerbe einen Schub für die Forschung und eine Aufwertung des römischen Neuss, das über das Limes-Projekt mit anderen Kommunen an der nassen Rhein-Grenze des römischen Reiches vernetzt werden soll. „Die Anerkennung wird dazu führen, dass der Limes auch international ganz anders wahrgenommen wird“, sagt Pause.

 Carl Pause möchte die Militärgeschichte weiter aufklären.

Carl Pause möchte die Militärgeschichte weiter aufklären.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Wenn das gelingt, dann hat Neuss daran nicht unerheblich Anteil. Das 25 Hektar große Legionslager, das Kleinkastell auf dem Reckberg und der dort ebenfalls nachgewiesene Wachturm machen Neuss so besonders, sagt Bödecker. Denn sie vermitteln im Verbund einen einmaligen Eindruck von der römischen Strategie zur Grenzsicherung am Rhein. Das spannend zu vermitteln, sei eine Aufgabe der Zukunft.

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