Neuss Neuss liest ein Buch — auch 2011

Neuss · Der Leiter der Stadtbibliothek, Alwin Müller-Jerina, und seine Mitarbeiterin Ursel Hebben ziehen Bilanz ihrer Aktion "Neuss liest ein Buch". Dabei standen Dieter Wellershoff und sein Buch "Der Ernstfall" im Fokus.

 Freuen sich über den Erfolg der erstmals stattgefundenen Veranstaltungsreihe "Neuss liest ein Buch": Ursel Hebben und Alwin Müller-Jerina.

Freuen sich über den Erfolg der erstmals stattgefundenen Veranstaltungsreihe "Neuss liest ein Buch": Ursel Hebben und Alwin Müller-Jerina.

Foto: Woi

30 Veranstaltungen standen in den gut zwei Wochen auf der Liste zu der Aktion "Neuss liest ein Buch", die der Leiter der Stadtbibliothek, Alwin Müller-Jerina, initiiert hat. Zusammen mit seiner Mitarbeiterin Ursel Hebben hat er die Aktion auch organisiert. Vorbild dafür war Köln, wo die Aktion "Eine Stadt liest ein Buch" schon mehrfach erfolgreich gelaufen ist.

Herr Müller-Jerina, Frau Hebben, "Neuss liest ein Buch" hat zum ersten Mal stattgefunden. Wie ist Ihr erster Eindruck?

Ursel Hebben Es ist besser gelaufen, als ich gehofft habe. Wir sind sehr zufrieden. Die Aktion war ja für uns eine Premiere, aber es hat von der Organisation her alles funktioniert. Was bei so vielen Veranstaltungen natürlich ganz toll ist.

Müller-Jerina Man stellt sich ja selbst eine Marge: Was wollen wir erreichen? Wir wären enttäuscht gewesen, wenn wir nur fünf Veranstaltungen zusammenbekommen hätten, aber wir hätten sie sicher auch durchgezogen. Zehn hatten wir als Untergrenze gesetzt, dreimal so viel sind es geworden. Das ist wirklich sehr gut. Und wir haben es geschafft, alle Kulturinstitute ins Boot zu holen.

Sind Sie auch mit der Besucherresonanz zufrieden?

Hebben Ja. Wir haben rund 550 Besuche verzeichnet. Das Schöne ist auch, dass sich zum Beispiel für die Mittagspausenlesungen ein fester Kreis etabliert hat. Da sind Zuhörer zu jeder Veranstaltung gekommen, um sich aus dem "Ernstfall" vorlesen zu lassen. Es gab einen harten Kern von ungefähr zehn Leuten, und vor allem hat es hinterher immer intensive Gespräche gegeben. Aber wir haben auch Menschen erreicht, die sonst nicht in die Bibliothek kommen.

Müller-Jerina Es war auch gut, dass wir aus unserem Haus hinausgegangen sind. Für die Eröffnung mit dem Schauspieler Joachim Król war das Rheinische Landestheater genau der richtige Platz — schon wegen des besseren technischen Equipments. So einen furiosen Auftakt braucht man bei so einer Aktion auch.

Und Dieter Wellershoff selbst war sehr präsent.

Müller-Jerina Mit ihm haben wir sehr viel Glück gehabt. Dieter Wellershoff war zu allem bereit, völlig unkompliziert, hat sich über die Aktion gefreut und ist sehr gerne auch mehrfach nach Neuss gekommen. So viel Entgegenkommen ist bei einem Autor nicht selbstverständlich.

Sind denn auch die Ausleihzahlen für das Buch "Der Ernstfall" in der Bibliothek signifikant hoch?

Hebben Ja, wir haben 15 Exemplare, die 125 mal entliehen wurden. Das ist viel ...

Müller-Jerina ... vor allem, wenn man bedenkt, dass jedes Buch vier Wochen lang behalten werden kann. Auch die 50 Bücher, die auf einem Tisch zur kostenlose Mitnahme lagen, sind sofort weggewesen.

Wissen Sie auch, wie die Nachfrage im Neusser Buchhandel nach Werken von Dieter Wellershoff war?

Müller-Jerina Von der Neusser Buchhandlung kam die Nachricht, dass seit Bekanntwerden der Aktion rund 50 Wellershoff-Titel verkauft wurden. Für ein doch etwas schwieriges Thema findet man das sehr beachtlich.

Dann war es Ihrer Sicht nach auch richtig, diese Kriegserinnerungen zu nehmen?

Müller-Jerina Ich glaube, dass es gut war, dass wir diese Vorgabe gemacht haben. Aber letzten Endes gilt wohl auch, was die Kölner, die eine solche Aktion schon öfter gemacht haben, erfahren haben: Man hat immer das falsche Buch. Viel wichtiger ist es deshalb, einen Schriftsteller zu nehmen, der viele Bücher geschrieben hat. Unter den über 50 Büchern, die Wellershoff veröffentlicht hat, ist für jeden etwas dabei. Ich wäre schon zufrieden, wenn wir erreicht haben, dass der eine oder andere sagt: Ich habe da mal 'reingeguckt. "Der Ernstfall" war nicht mein Buch, aber "Der Liebeswunsch" hat mir gefallen.

Hatten Sie eine Zielgruppe im Sinn?

Müller-jerina Nicht richtig. Aber wir haben nicht unbedingt an Jugendliche gedacht, weil die kaum zu Lesungen kommen. Nach unseren Erfahrungen sind es vor allem die 30- bis 60-Jährigen.

Und das war auch jetzt so?

Hebben Ja, "Der Ernstfall" ist ein Kriegstagebuch, und das hat vor allem die betroffene Generation angezogen. Aber wir hatten auch eine Lesung mit einem Auszubildenden und die Schreibwerkstätten mit Jugendlichen.

Ihrer Zufriedenheit nach zu urteilen, gibt es im nächsten Jahr eine Neuauflage der Aktion ?

Müller-Jerina (lacht) Ja, aber mehr können wir im Moment noch nicht sagen. Aber Organisation und Zeitraum haben sich bewährt. Und wir werden auch den Zeitpunkt im Herbst beibehalten.

Helga Bittner führte das Gespräch.

(dhk)
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