Neuss Neuss kämpft gegen den Verkehrsinfarkt

Neuss · Jeder zweite Neusser besitzt ein Auto. Im Schritt-Tempo geht's durch die Stadt, wo Parkplätze rar sind. Fehlt ein Konzept?

 Lenkt im Rathaus die Neusser Verkehrsströme: Amtsleiter Franz Kolbecher.

Lenkt im Rathaus die Neusser Verkehrsströme: Amtsleiter Franz Kolbecher.

Foto: Woi

Es nervt. Jeder kennt den Stillstand. Der Verkehr fließt am Hamtorplatz nicht ab, Rückstau bis weit in die Erftstraße hinein. Auf der Michaelstraße ist nach 17 Uhr Geduld gefordert, denn bei einer Grünphase schaffen nur wenige Autos den Weg auf die Zollstraße. Selbst vor den Toren der Stadt geht es - zumindest zu den Hauptgeschäftszeiten - oftmals nur im Schritt-Tempo voran. Wer von der Moselstraße auf den Konrad-Adenauer-Ring abbiegen will, sollte eine längere Fahrzeit einplanen. Der, der sein Ziel endlich erreicht hat, steht vor einem neuen Problem: Parkplätze sind rar. Alles nur ein subjektives Gefühl? Oder hat sich der Verkehr auf Neusser Straßen in den vergangenen Jahren verdichtet? Braucht die Stadt ein neues Verkehrskonzept? Die NGZ fragte bei den Experten im Rathaus nach.

Ja, sagt Franz Kolbecher, auch er persönlich habe das Gefühl, dass es in der Stadt länger dauere, um von A nach B zu fahren. Der Leiter des Amtes für Verkehrslenkung hat dafür auch eine plausible Erklärung: "Die Zahl der Autos in der Stadt wächst." So kommen in Neuss auf 1000 Einwohner mehr als 600 angemeldete Autos. Das ist für eine deutsche Großstadt ein Spitzenwert. Zum Vergleich: In Berlin liegt die Quote bei rund 300. So glaubt Kolbecher auch nicht, dass ein neues Verkehrskonzept für die große Entlastung sorgen würde: "Die Verkehrsführung ist schlüssig. Im Einzelfall prüfen wir immer, ob Nachjustierungen Verbesserungen bringen." Dabei nutze die Verkehrslenkung auch moderne Technik wie "intelligente Ampeln", die computergestützt auf aktuelle Verkehrslagen reagieren.

Wenn Kolbecher auf Distanz zu einem neuen Verkehrskonzept geht, heißt das nicht, dass er und seine Mitstreiter im Rathaus keine Ideen haben, wie sie die Erreichbarkeit der Innenstadt und die Bewegungsströme der Menschen organisieren wollen. "Wenn es richtig ist, dass unser Verkehrsnetz nahezu ausgereizt ist", denkt der Planungsdezernent, Beigeordneter Christoph Hölters laut nach, "dann müssen wir Alternativen finden." Zum Stichwort Fahrrad fällt ihm ein: "Das Rad ist bei Entfernungen bis zwei Kilometer unschlagbar schnell; bis fünf Kilometer immer noch konkurrenzfähig."

In welche Richtung im Rathaus gedacht wird, verrät Bürgermeister Reiner Breuer: "Unter dem Begriff Nahmobilität wollen wir Fuß- und Radverkehr, den öffentlichen Personennahverkehr und den Individualverkehr effektiv verknüpfen." Wenn heute das Rad im Gesamtverkehrsvolumen in Neuss einen Anteil von zehn Prozent habe, dann sei es sein Ziel, diesen Anteil bis 2020 zu verdoppeln. Der Rathaus-Chef setzt so gar ein Tabuthema auf die Agenda: "Ich kann mir eine autofreie Innenstadt vorstellen." Zum Thema Mobilität gebe es in der Stadt viele gute Ansätze, was fehle sei die Zusammenführung aller Initiativen mit der Ausrichtung auf ein Ziel. "Wo wollen wir hin?", fragt Breuer, "und mit welchen Schritten wollen wir dieses Ziel erreichen?" Der Bürgermeister kündigt an, das Thema Nahmobilität im kommenden Jahr mit Priorität bearbeiten zu wollen.

Im Grundsatz stimmt Karl Heinz Baum (CDU) Bürgermeister Breuer (SPD) zu: "Es muss etwas getan werden." Der Verkehrsentwicklungsplan sei in die Jahre gekommen und müsse fortgeschrieben werden. Das werde aber schwierig: "Der Verkehrsraum ist begrenzt und wir müssen mit unseren Ressourcen auskommen." Die starke Fokussierung aufs Rad will Baum aber nicht mitmachen: "Wir sind schon eine fahrradfreundliche Stadt. 30 Einbahnstraßen sind gegenläufig für die Radler frei gegeben." Das Thema Verkehr sei "anzupacken, aber bitte nicht mit populistischen Thesen."

(-lue)
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