Neusser Angelsportverein Auch im Winter beißen die Hechte

Neuss/Kaarst · Hans Platz’ Leidenschaft kennt keine Jahreszeiten: Der Vorsitzende des Neusser Vereins „Angelbiss“ geht auch im Winter Angeln. Ein Selbstversuch.

9 Uhr morgens, Löwensee nahe Kaarst. Bevor es losgeht, wird nicht viel geredet. „Wir gehen heute Raubfischangeln“, sagt Hans Platz und holt seine Angel aus dem Auto. Raubfische? Na, das kann ja heiter werden, denke ich mir, während der Vorsitzende des Neusser Angelsportvereins „A.u.S.V. Angelbiss“ seine „kleine“ Auswahl von etwa fünfzig verschiedenen, kunterbunten Ködern in seine Angler-Tasche packt. Ich hingegen bin anders ausgerüstet: mit einem mindestens fünflagigen Winter-Outfit inklusive Gummistiefeln und Woll-Stirnband. Und dann geht es los mit dem Winterangeln – gemeinsam mit Hans Platz (63), seinem Sohn Nicolas (33) und Timo Nöding (17) – alle drei sind „Angelbiss“-Mitglieder.

Und schon nach zwei Minuten steuern meine erfahrenen Angel-Guides das Ufer an und schwingen ihre Raubfisch-Köder mit einem „dann wollen wir mal!“ ins Wasser. Ich schaue neugierig zu, alle schweigen. Dann holen Hans Platz und Timo Nöding ihre Schnur mit ruhigen, kreisenden Handbewegungen an der Rolle langsam wieder zurück. Und? Nichts gefangen. Okay, schade. Aber dann eben nochmal.

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So fischen die Angler im Löwensee

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Foto: Maren Könemann

An der Stelle am See ist es wunderschön. Das Wasser ist ruhig, die Morgen-Sonne wärmt die von der Winterluft ausgekühlten Wangen. Und obwohl es mit knapp zehn Grad ungewöhnlich mild an diesem Morgen im Februar ist, ist der Löwensee menschenleer. Anders als im Sommer, wo sich vor allem am Wochenende viele der rund 250 Vereins-Mitglieder rund um den 28 Hektar großen See und das dortige Vereinsheim, das malerisch auf einem Hügel am Wasser liegt, versammeln.

Doch so sah es hier nicht immer aus: In vielen tausend Arbeitsstunden haben Hans Platz, der seit 22 Jahren Mitglied und seit 13 Jahren Vorsitzender ist, und seine Vereinskameraden den Löwensee zu dem gemacht, was er heute ist: „Ein perfektes Gewässer“ und „ein Paradies“, wie Platz sagt. Sogar ein Holzhäuschen für laue Sommernächte gibt es hier – selbstgebaut natürlich. „Darauf sind wir sehr stolz“, sagt Platz, als wir schon an der nächsten Angelstelle stehen.

Mittlerweile bläst uns ein kräftiger Wind ins Gesicht. Neben dem Löwensee gehören auch die Obererft, der Neusser Sporthafen und ein Teil der Haupterft zu den Gewässern, die von „Angelbiss“ gepachtet, gepflegt und genutzt werden. Doch angeln dürfen dort nur Mitglieder – oder Angler mit einem Erlaubnisschein. Wird man ohne erwischt, drohen saftige Bußgelder oder gar Haftstrafen. „Das ist dann kein Vergehen mehr, sondern Wilderei“, erklärt Hans Platz.

Im Verein läuft aber alles geordnet ab. Dort hat jeder die Anglerprüfung abgelegt, die Fischbestände werden ständig kontrolliert und durch Einsetzten und Abfischen im Gleichgewicht gehalten. „Wir arbeiten dafür mit einem speziellen Fischzüchter aus Mönchengladbach zusammen“, erklärt Nicolas Platz.

Mittlerweile sind wir an der vierten Angelstelle angekommen. Ein Fisch hat immer noch nicht angebissen, doch Hans Platz wirft die Angel unermüdlich weiter aus. Es ist eben seine Leidenschaft: „Als Fünfjähriger habe ich mir das Angeln mit einer Nähnadel selbst beigebracht.“ Die Ruhe, das Abschalten und die Natur sind das, was ihn immer wieder ans Wasser zieht, erzählt er. Auch im Winter.

So geht es auch Timo Nöding. Denn das staubige Image hat das Angeln längst verloren; viele junge Menschen interessieren sich heute dafür. Timo ist schon beinahe ein Jahrzehnt Mitglied bei „Angelbiss“. Den Angelschein hat er mit 14 gemacht – das frühestmögliche Alter. Und schon als Kind war er mit seinem Vater oft am Wasser.

Etwa 30 Jungs bilden die Jugendabteilung des Vereins, mit sieben von ihnen trifft sich Timo regelmäßig zum Angeln. Und durch das Interesse der Jüngeren würde das Angeln auch im Internet oder in Großstädten ein großes Thema, erklärt Nicolas Platz. Streetfishing in Hamburg oder Online-Prüfungsvorbereitungs-Kurse seien Beispiele. Und YouTube-Stars wie Hubertus Massong, Gründer des Startup „Fishing-King“ und des gleichnamigen YouTube-Kanals für Angel-Tutorials, haben Tausende von Followern. „Vor zwei bis drei Jahren ist die Szene richtig explodiert“, weiß der 28-jährige angelnde Influencer. Der Verein ist froh über das wachsende Interesse: Die Mitgliederzahlen würden stetig steigen, so Nicolas Platz. Mittlerweile gibt es bei „Angelbiss“ sogar eine Warteliste.

Ganz schön viel los in der Neusser Anglerwelt. Wenn doch jetzt noch etwas anbeißen würde. Doch vielleicht ist auch den Fischen zu kalt, denke ich mir, und schlendere mit den Anglern Richtung Vereinsheim.

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