Pläne für Neuss Jüdische Gemeinde soll wachsen

Neuss · Die Neusser Filialgemeinde der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf hat ihren Mitgliedern allerlei zu bieten. Eigene infrastrukturelle Einrichtungen sind auch in Neuss Gegenstand von Überlegungen.

 Bert Römgens, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, im Nelly-Sachs-Haus, einem jüdischen Elternheim.

Bert Römgens, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, im Nelly-Sachs-Haus, einem jüdischen Elternheim.

Foto: Anne Orthen (orth)

Seitdem das jüdische Gemeindezentrum an der Leostraße 2008 in Betrieb genommen wurde, hat sich in der Gemeinde viel getan; Die 2021 eingeweihte Synagoge war nicht nur für viele Gemeindemitglieder ein historisches Ereignis. Was die Infrastruktur jüdischen Lebens betrifft, ist die Nachbarstadt Düsseldorf im Vergleich zu Neuss allerdings breiter aufgestellt: von einer jüdischen Kita über das Albert-Einstein-Gymnasium bis hin zu einem jüdischen Pflegeheim (nach jüdischer Tradition Elternheim genannt) wachsen die Adressen dort kontinuierlich. In Neuss gibt es ähnliche Einrichtungen neben dem Gemeindezentrum bisher nicht.

Der Neusser Bert Römgens ist Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf und erklärt den Zusammenhang wie folgt: „Das jüdische Leben war unmittelbar nach dem Holocaust und in den Folgejahrzehnten sowohl in Düsseldorf als auch in Neuss relativ gering.“ Durch den Zuzug von Menschen aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion sei die jüdische Bevölkerung seit den 1980er-Jahren rasant gewachsen, habe sich teils vervierfacht, so Römgens. „Dadurch konnte jüdisches Leben wieder wurzeln und ich persönlich sehe es als Geschenk für die Jüdische Gemeinde Deutschlands.“ 2018 schloss die Gemeinde in Neuss mit der Stadt Neuss einen Vertrag über die Unterstützung jüdischen Lebens. „Der von Altbürgermeister Herbert Napp angestoßene Prozess und von Bürgermeister Reiner Breuer initiierte Vertrag hat es uns ermöglicht, unser aus den Nähten platzendes Gemeindezentrum zu erweitern und im vorletzten Jahr die Synagoge einzuweihen“, erzählt Römgens: „Es ist die erste Synagoge in Neuss seit dem 9. November 1938.“

Seit der Neueröffnung habe man begonnen, die Infrastruktur jüdischen Lebens in Neuss neu aufzubauen. „Natürlich ist Düsseldorf größer als Neuss, somit haben wir in Neuss auch ein anderes Angebot.“ Römgens lobt das Engagement der Mitarbeiter des Gemeindezentrums, das Programm umfasst sowohl Angebote für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche, mit und ohne Religionsbezug. Seit dem Krieg in der Ukraine sei die Arbeit mit den Geflüchteten eine weitere Schwerpunkttätigkeit des Zentrums geworden, viele von ihnen gehören ebenfalls dem jüdischen Glauben an. Konkret umfassen die Angebote etwa einen Frauenkreis, Musik- und Theatergruppen in Zusammenarbeit mit der Musikschule Neuss sowie beratende Angebote oder Lehrstunden über die Tora – „einfach Dinge, die Menschen in einer jüdischen Gemeinde brauchen, um ihre Identität leben zu können“, fasst es Bert Römgens zusammen.

Besonders froh sei er über die Zusammenarbeit mit anderen Trägern, allerdings wünsche er sich, „dass  es in Neuss eine ähnlich starke Vernetzung der Träger der freien Wohlfahrtspflege wie in Düsseldorf gibt.“ So könne jüdisches Leben auch im Rahmen einer Einrichtung anderer Träger ermöglicht werden. Es habe zudem bereits Gespräche mit der Stadt über die grundsätzliche Möglichkeit einer jüdischen oder teils jüdischen Kita gegeben, „da werden wir den Gesprächsfaden sicherlich noch einmal aufnehmen.“ Auch die Möglichkeit eines Elternheimes in Neuss bewertet Römgens als sinnvoll, der Zeitkorridor für die Umsetzung solcher Projekte liege etwa zwischen drei und fünf Jahren.

Im Neusser Alexander-Bederov-Gemeindezentrum entstehen laufend weitere Projektpläne, so beispielsweise für ein Programm zur musikalischen Früherziehung.  „Wir möchten außerdem einfach ein offenes jüdisches Zentrum auch für Interessierte aus der Neusser Stadtgesellschaft werden“, betont Römgens, denn nur in einer vielfältigen, respektvollen Gesellschaft könne Ausgrenzung überwunden werden: „Diese Aufgabe müssen wir alle stemmen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort