Judith Pinnow liest in Neuss Wie Kaugummi zu ungewöhnlichen Freundschaften führt

Neuss · Judith Pinnow stellte beim Literarischen Sommer ihr Buch „Die Phantasie der Schildkröte“ vor. Darin geht es um Edith, eine Frau mit einigen Schwächen.

 Judith Pinnow hatte es nicht weit zur Lesung beim Literarischen Sommer: Sie wohnt in Köln.

Judith Pinnow hatte es nicht weit zur Lesung beim Literarischen Sommer: Sie wohnt in Köln.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

„So viele Männer in meiner Lesung, wer hat Sie denn gezwungen?“, fragte die Schriftstellerin Judith Pinnow (45), die im Rahmen des 19. Literarischen Sommers ihren in diesem Jahr erschienenen Roman „Die Phantasie der Schildkröte“ in der Neusser Stadtbibliothek vorstellte.

Manchem Zuhörer kam ihr Gesicht sehr bekannt vor, denn die Autorin, Moderatorin und Schauspielerin hat unter ihrem Mädchennamen Judith Halverscheid viel im Fernsehen gearbeitet, unter anderem moderierte sie den Tigerenten-Club (ARD) und noch bis Ende 2013 bei Sat.1 das sonntägliche Frühstücksfernsehen „Weck up“. Vor ihrer Lesung in Neuss verteilte sie erst einmal an die Besucher Kaugummi, „aber bitte noch nicht essen“. In dem Roman hat sie mit „Edith“ erstmals eine Frau erfunden, „die im Gegensatz zu meinen ersten beiden Romanen weit von mir entfernt ist. Menschen werden dann besonders interessant, wenn man von ihren vermeintlichen Schwächen erzählt. Und Edith hat ziemlich viele davon.“

Die Protagonistin, die alleine lebt und Kinder nicht leiden kann, trifft im Aufzug die zehnjährige Schneewittchen. Prompt bleibt der Aufzug stecken, und es beginnt eine ganz ungewöhnliche Freundschaft: Schneewittchen bringt sie dazu, phantasievolle, gelegentlich absurde Dinge zu tun. Im Aufzug erhält sie von dem Kind erst mal einen Kaugummi. „Ich kau ihn weich, lege ihn gefühlvoll auf die Zunge, um dann auch wie Schneewittchen aufzublasen:“ Jetzt darf das Publikum den vorher erhaltenen Kaugummi bearbeiten, das gelingt einigen mit beachtlichem Erfolg.

Später, als Edith einem jungen Mann sein verlorenes Geld zurückgibt, schenkt der ihr zum Dank einen Karton mit Schokotörtchen. Wiederum erwartungsvolle Augen im Publikum musste die Autorin enttäuschen. Judith Pinnow macht mit ihrem vitalen Vorlesetemperament die Figuren lebendig, dank unauffälliger Technik bleibt sie jederzeit verständlich, auch als sie davon erzählt, dass ihr Finden und Beschreiben der Figuren sehr leicht fällt, aber die Konstruktion der Geschichte sei harte Arbeit. Von ihren drei Kindern verfolgt besonders die 13-jährige Tochter die Arbeit der Mutter begeistert, ihr ist das Buch gewidmet.

Unter den Zuhörern war Gilbert Druant aus dem belgischen Antwerpen. Er ist für vier Wochen bei den Zisterziensern in Langwaden im „Kloster auf Zeit“ und war durch die Tageszeitung auf die Lesung aufmerksam geworden. „Im Kloster gibt es die NGZ zum Frühstück.“ Er hätte gerne noch mehr gehört über das Entstehen des Buches, über Ideen und Inspiration. Solche Lesungen seien für ihn etwas Ungewöhnliches. „Wir treffen uns und sprechen über ein Buch, das alle bereits gelesen haben“, sagte er.

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