Künstlerin aus Neuss Aus dem Ei gebrochen - tausende Eierschalen für die Kunst

Neuss · Das Osterfest wird oft in Verbindung mit dem Ei gebracht. Auch in den Arbeiten der Neusser Künstlerin Jennifer Ayala Lopez spielt die Eierschale eine Rolle: Aus zehntausenden leeren Schalen fertigt sie raumgreifende Installationen. Was hat es damit auf sich?

 In der Zero Foundation war diese Installation von ihr zu sehen.

In der Zero Foundation war diese Installation von ihr zu sehen.

Foto: Jennifer López Ayala

Ein Pool gefüllt mit tausenden Eierschalen. Und ein Spiegel, der in dem ehemaligen Schwimmbecken für Unendlichkeit sorgt: Der „Infinity Pool“ gehörte zu den spektakulären Installationen, die im vergangenen Spätsommer auf Schloss Reuschenberg zu sehen waren: 25.000 Eierschalen hatte Jennifer López Ayala mit Hilfe ihrer Künstler-Freunde akribisch positioniert – so dass am Ende der Eindruck eines pointilistischen Gemäldes entstand.

 Das ehemalige Schwimmbad im Schloss Reuschenberg ist mit tausenden Eierschalen gefüllt.

Das ehemalige Schwimmbad im Schloss Reuschenberg ist mit tausenden Eierschalen gefüllt.

Foto: Jennifer López Ayala

Die Neusserin  ist für ihre Arbeiten mit Eierschalen bekannt: Sie nutzt sie als Fotomotiv, macht aus ihnen Wandskulpturen oder verarbeitet sie zu faszinierenden Installationen. Ihre Größte war im englischen York: Rund 100.000 Eierschalen waren es, die die Künstlerin dort auf dem Boden einer ehemaligen Kirche angeordnet hat.

Auf die Eierschale gekommen ist Jennifer López Ayala, als sie noch Freie Kunst an der Düsseldorfer Kunstakademie unter Helmut Federle,  Siegfried Anzinger und Katharina Grosse, deren Meisterschülerin sie war, studierte. „Ich habe mich für klassische Malerei interessiert, die ursprüngliche Technik und Farbenlehre“, erzählt sie. Und so kam das Ei ins Spiel. Das wurde früher nämlich als Bindemittel genutzt, erklärt die Künstlerin. „Das Eigelb hat das Pigment auf der Leinwand gehalten, man denke nur an die Eitempera,

mit der Giotto di Bondone die europäische Tafelmalerei reformierte und die auch heute noch in der Ikonenmalerei auf Holz verwendet wird.“ Bald entdeckte sie auch alte Rezepte, die aus einer Zeit noch vor der Renaissance stammten. Da wurde eine zerbrochene Eierschale als Maßeinheit benutzt. „Die eine Hälfte wurde mit Leinöl, die andere mit Wasser gefüllt. Daraus wurde die Farbe angemischt“, sagt López Ayala. So kamen die Eierschalen in ihr Atelier. Und dort landeten sie eines Tages auf dem Boden. Die Künstlerin bemerkte, wie sich das Licht an der Kante der Schale brach und war völlig fasziniert von den vielen Licht- und Schattenmomenten und den verschiedenen Weiß-Tönen.  „Ich dachte, das allein ist schon Malerei“, erinnert sie sich.

Ihre erste Eierschalen Ausstellung war zugleich ihre Abschlussarbeit an der Akademie: 40.000 händisch platzierte Schalen wurden von 40.000 Besuchern betrachtet. Dabei stellte López Ayala gleich fest, wo die Herausforderungen liegen: Die Schalen sind so fragil, dass viele von ihnen noch im Aufbau kaputtgehen. „Der Verlust ist sehr hoch, man kann gut doppelt so viele Schalen einplanen“, sagt sie.

Wie genau sie die Schalen präpariert und wo sie herkommen, das hält die Künstlerin geheim. Nur so viel sei verraten: Nach einer Installation nutzt sie die Schalen für andere Arbeiten, auch zerbrochene finden eine Verwendung in ihrer Fotografie. „Kein Ei geht verloren“, sagt sie. Das gilt auch für die leeren Eierkartons, aus denen sie Skulpturen macht, die so bearbeitet werden, dass sie kaum noch erkennbar sind.

 Und genau dies ist ein Prozess der Jennifer López Ayala in ihrer Kunst wichtig ist: „Wenn mich jemand fragt, was meine Arbeit ausmacht, würde ich sagen, dass es um Malerei, den Raum, die Entscheidungen und Betrachter geht“, sagt sie, „die Eierschale als Material spielt da eher eine untergeordnete Rolle.“ Vielmehr faszinieren die Künstlerin die Räume, die sie gestaltet. Sie seien voller Geschichte, hätten einst eine bestimmte Funktion gehabt und können durch Kunst umgedeutet oder erneut belebt werden. Außerdem sei es spannend zu sehen, wie die Betrachter auf die zerbrechlichen Eierschalen reagieren, oft werde es in einem vorsichtiger werdenden Gang sichtbar. „Eine Betrachterin meinte einmal, dass die Schalen einen Heilungsprozess anstoßen“, erzählt López Ayala. Wie genau? „In die leeren Schalen kann man das Alte hineinlegen und ein Loslassen beginnen.“ Auch die Idee, aus einem zerbrochenen Körper, etwas Neues zu machen, sei für die Künstlerin ein spannender Moment. „Das Alte bekommt so eine neue Wertung und Bedeutung“.

Oft würden Betrachter auf den ersten Blick nicht erkennen, dass es sich bei dem Gesamtwerk um viele zerbrochene Schalen handelt. „Es könnten auch Muscheln oder Blüten sein“, sagt die Künstlerin. Hin und wieder zermahlt sie die Schalen auch zu Sand, etwa für ihre jüngste Schau in der Zero Foundation. Und so setzt sie die Eierschale  in einen ständigen Wandel.

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