Interview: Helga Koenemann "Neuss ist jetzt reif für eine Bürgermeisterin"

Neuss · Die neue Vorsitzende der CDU-Ratsfraktion über ihren Holperstart und ihr Verhältnis zu Bürgermeister Herbert Napp

 Helga Koenemann, CDU: "Populismus ist nicht mein Niveau."

Helga Koenemann, CDU: "Populismus ist nicht mein Niveau."

Foto: Woi

Neuss Wer ein neues Amt antritt, genießt gemeinhin eine Schonfrist von 100 Tagen. Die hat Helga Koenemann (58) nicht. Die neue Vorsitzende der CDU-Ratsfraktion stand sofort im Feuer: Zunächst musste sie bei ihrer Wahl acht Gegenstimmen verkraften, so dann musste sie wenige Tage später die fraktionsinternen Haushaltsberatungen leiten.

Frau Koenemann, haben Sie den Schock der acht Gegenstimmen bei Ihrer Wahl inzwischen verarbeitet?

Helga Koenemann Ich habe mich entschieden, Verantwortung zu übernehmen. Also tue ich das jetzt ohne Wenn und Aber. Unsere Klausurtagung am Wochenende war sehr hilfreich. Wir haben uns viel Zeit für die Diskussion genommen, so dass ich den Eindruck habe, die Situation hat sich beruhig. Nach den zwei Tagen von Heiligenhaus sind bei mir viele positive Rückmeldungen angekommen. Das bestärkt mich, meinen Weg zu gehen. Eins werde ich aber sicherlich nicht machen: Ich werde nicht forschen, wer gegen mich gestimmt hat. Es gibt für mich nur eine Richtung: Vorwärts!

Sie haben nahezu alle Sparvorschläge der Verwaltung verworfen. Werden Sie den Etat-Ausgleich schaffen?

Koenemann Das weiß ich nicht. Aber ein Kahlschlag bei den freiwilligen Leistungen ist mit uns nicht zu machen. Darum beraten wir Montag weiter. Wir wissen, wo wir Einsparpotenzial suchen müssen.

Sie wollen auf die Grundsteuer-B-Erhöhung verzichten. Das reißt zusätzlich ein Vier-Millionen-Euro-Loch. Das müssen Sie auch noch schließen.

Koenemann Wir haben offen gelassen, ob wir die Grundsteuer B anheben und wenn ja, in welchem Umfang. Lassen Sie uns doch in Ruhe den Etatentwurf durchforsten. Über Steuer- und Gebührenerhöhungen entscheiden wir ganz zum Schluss.

Gelingt Ihnen der Ausgleich nicht, müssen Sie ins Eigenkapital greifen. Der Sündenfall wäre da. Die Folge: Der Landrat muss fortan alle Ausgaben der Stadt Neuss genehmigen. Sieht so Ihre Alternative aus?

Koenemann Das sollte nicht passieren. Darum geben wir uns so viel Mühe. Politik bedeutet doch, Gesellschaft zu gestalten. Dazu benötigen wir einen finanziellen Handlungsspielraum. Um den kämpfen wir. Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, den Ausgleich zu schaffen. Da es sich um ein strukturelles Defizit handelt, wollen wir nicht in blindem Aktionismus mit dem Rotstift hantieren, sondern Strukturen schaffen, die uns langfristig finanzielle Vorteile bringen.

Der Konzern Stadt wird umgebaut, städtische Aufgaben werden auf "Töchter" wie Stadtwerke oder Bauverein übertragen. In welchen Aufsichtsgremien werden Sie sitzen?

Koenemann Alles der Reihe nach. Jetzt bringen wir erst einmal den Haushalt durch, parallel bereite ich unsere Arbeit für 2013 vor. Im Januar werden wir eingehend über Struktur und Arbeitsmethodik der Fraktion sprechen. Dazu gehören auch die Stichworte dritter Fraktions-Vize, Pressesprecher und Vertretung der Fraktionsvorsitzenden in den so genannten Drittgremien.

Wie ist Ihr Verhältnis zum Bürgermeister? Sie sind Partner der Kanzlei, die seinen Namen im Briefkopf führt.

Koenemann Wir respektieren uns und kommen gut miteinander aus. Wir können auch in der Sache streiten, ohne einander böse zu sein. Um es klar zu sagen: Ich halte auch Entscheidungen durch, die nicht vom Bürgermeister abgesegnet sind.

Warum haben Sie als neue Chefin im Planungsausschuss geschwiegen?

Koenemann Weil Ingrid Schäfer das Wissen und die rhetorischen Fähigkeiten besitzt, für die CDU-Fraktion zu sprechen. Auch sind die populistischen Sprüche des SPD-Vorsitzenden Breuer nicht mein Niveau.

Wollen Sie Bürgermeisterin werden?

Koenemann Was für eine Frage! Meinen Sie nicht, dass ich derzeit genug damit zu tun habe, diese CDU-Ratsfraktion erfolgreich zu führen? Ich sage Ihnen: In diesem Job haben Sie keine Zeit für Träume und Wünsche. Aber Sie haben Recht: Neuss ist jetzt reif für eine Frau auf dem Bürgermeister-Sessel.

Ludger Baten führte das Gespräch

(NGZ/rl)
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