Skandal-Fleisch in Neuss Neuss ist großer Umschlagsplatz

Neuss · In Neusser Kühlhäusern lagern Lebensmittel aus Luxemburg und Frankreich, die im Verdacht stehen, mit Pferdefleisch verunreinigt zu sein. Der Kühlhausbetreiber unterstützt die Arbeit des Amtes für Lebensmittelüberwachung.

Im größten Kühlschrank der Stadt lagert, was deutschlandweit für einen der größten Lebensmittel-Skandale sorgt: Lebensmittel, die nicht nur — wie auf dem Etikett zu lesen — Rind-, sondern auch Pferdefleisch enthalten sollen. Von November 2012 bis Ende Januar vergangenen Jahres sind offenbar mindestens 359.722 Packungen mit Nudelgerichten, vor allem Lasagne und Cannelloni, aus Luxemburg nach Deutschland gekommen. Ein großer Teil der insgesamt fast 144 Tonnen wiegenden Ware wurde in Neuss umgeschlagen.

Nachdem die Verbraucherschutzministerien des Bundes und des Landes den Lieferanten im Ausland in der vergangenen Woche auf die Spur gekommen waren, schlugen sie auch in Neuss Alarm. Das Unternehmen Kühlhaus Düsseldorf mit seinen Lagerstätten an der Norfer Mainstraße und der Hansemannstraße in Uedesheim reagierte sofort. Die fragwürdigen Lebensmittelbestände wurden in einen abgesperrten Bereich der Kühlhäuser gebracht. "Wir arbeiten mit dem Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt des Rhein-Kreises zusammen", sagt Thomas Lemmerholz, Geschäftsleiter bei Kühlhaus Düsseldorf.

Proben werden in Labor untersucht

Mit der Bestätigung, dass die möglicherweise mit Pferdefleisch verunreinigten Lebensmittel von seinem Unternehmen zwischengelagert wurden, hat er kein Problem. "Als reiner Dienstleister waren wir zu keinem Zeitpunkt Eigentümer der Ware und hatten mit dem Inhalt der Sendungen nichts zu tun", sagt Lemmerholz. Kontrolliert würden beim Wareneingang im Kühlhaus nur Vollständigkeit, Unversehrtheit und Temperatur. Für Inhalt oder Zusammensetzung ist das Logistikunternehmen nicht verantwortlich.

Inzwischen hat der Rhein-Kreis Neuss Proben der fragwürdigen Lebensmittel genommen, die jetzt in einem Krefelder Labor untersucht werden. Erst dann wird sich genau zeigen, ob und in welchem Pferdefleisch in den Lebensmitteln steckt. "Am Dienstagnachmittag sollen die Ergebnisse vorliegen", sagt Jürgen Steinmetz, Allgemeiner Vertreter des Landrates im Rhein-Kreis. Laut Lemmerholz wurde die Ware nach der Zwischenlagerung in Neuss teilweise an die vom Eigentümer benannten Empfänger weiterverschickt. "Ein Teil davon ist inzwischen wieder bei uns eingetroffen, für andere Sendungen haben wir Rückholaufträge", sagt der Geschäftsleiter von Kühlhaus Düsseldorf. Sein Unternehmen wurde bereits 1911 gegründet und gehört inzwischen mit drei Millionen Kilometer Stückgutverkehr pro Jahr, bundesweiter Distribution und 15.000 Paletten-Stellplätzen zu den Großen der Branche. Das Logistikzentrum, in dem jetzt die mit möglicherweise Pferdefleisch verunreinigten Fertiggerichte lagern, wurde erst Ende 2012 eröffnet — eine Neun-Millionen-Euro-Investition mit modernster Kühltechnik und Planung in enger Abstimmung mit der Veterinär- und Lebensmittelüberwachung des Kreises.

Zwischenstation

Dass das Neusser Unternehmen eine Mitverantwortung für den Lebensmittelskandal hat, schließt das zuständige Ministerium in Düsseldorf aus: "Das Kühlhaus war nur eine temporäre Zwischenstation und spielt für uns nur eine untergeordnete Rolle", sagt Frank Seidlitz, Sprecher des Ministeriums für Verbraucherschutz in NRW. Ablauf und Verantwortlichkeiten seien mit der Vermietung eines Schließfachs zu vergleichen. Die Behörden kümmerten sich vor allem um Lieferanten und Empfänger der verunreinigten Ware. "Die Namen sind bekannt", bestätigt Seidlitz. Lebensmittelkontrolleure hätten Proben genommen, verdächtige Ware sei aus dem Handel genommen und teilweise auch wieder zurückgeschickt worden. Was mit den verunreinigten Lebensmitteln weiter passiert, ist noch unklar. Rechtlich betrachtet geht es, so Seidlitz, derzeit nur um einen Kennzeichnungsverstoß bei Lebensmitteln und nicht um eine Gesundheitsgefährdung der Verbraucher. Die beanstandete Ware müsse deshalb nicht zwangsläufig von den Behörden sichergestellt oder gar vernichtet werden. Die Hersteller in Luxemburg und Frankreich hingegen seien dazu verpflichtet, sie zurücknehmen.

(NGZ/url)
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