Diplomat Ron Prosor in Neuss Israels Botschafter lobt und mahnt in Neuss

Neuss · Wie steht es um die deutsch-israelische Freundschaft? Ron Prosor, Boschafter Israels, diskutierte beim Stadtgespräch der Konrad-Adenauer-Stiftung in Neuss.

 Zu Gast in der Neusser Synagoge (von links): Botschafter Ron Prosor, Verwaltungsdirektor Bert Römgens, Alon Dorn, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde, Bundestagsabgeordneter Hermann Gröhe, Bürgermeister Reiner Breuer und Rabbiner Chaim Barkahn.

Zu Gast in der Neusser Synagoge (von links): Botschafter Ron Prosor, Verwaltungsdirektor Bert Römgens, Alon Dorn, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde, Bundestagsabgeordneter Hermann Gröhe, Bürgermeister Reiner Breuer und Rabbiner Chaim Barkahn.

Foto: Andreas Woitschützke

Beim Israeltag Mitte Mai auf dem Markt wurde gefeiert, jetzt wurde im Zeughaus auch diskutiert: Im 75. Jahr nach der Staatsgründung Israels hatte der Neusser Bundestagsabgeordnete Hermann Gröhe (CDU) den israelischen Botschafter Ron Prosor zum Stadtgespräch der Konrad-Adenauer-Stiftung eingeladen. Das Thema des Abends im Zeughaus: „Die deutsch-israelische Freundschaft – eine besondere Beziehung“. Und das ist sie in der Tat: Wer hätte sich nach der Shoah, nach den Menschheitsverbrechen und der millionenfachen Ermordung von Juden in der Zeit des Nationalsozialismus vorstellen können, dass einmal ein Kampfflugzeug der Bundeswehr mit deutscher und israelischer Flagge an den Tragflächen zum Unabhängigkeitstag über Tel Aviv fliegt.

Gröhe blickte bei der Begrüßung des Botschafters zurück, erinnerte an die ersten Kontakte zwischen Bundeskanzler Konrad Adenauer und Ministerpräsident David Ben-Gurion, er schaute aber auch auf die Gegenwart: Neuss, so der CDU-Politiker, sei stolz auf das wiedererblühte jüdische Gemeindeleben, für das die 2021 eröffnete neue Synagoge und auch die gerade erst geschlossene Städtepartnerschaft mit Herzliya stehe.

Die Umstände, unter denen die Partnerschaft geschlossen wurde, zeigten, so Gröhe, wie wichtig es sei, deutlich zu machen, dass Deutschland fest an der Seite Israels stehe: „Terroristische Raketenangriffe machten es unmöglich, dass der Bürgermeister von Herzliya nach Deutschland reisen konnte“, sagte Gröhe und unterstrich: „Davon lassen wir uns nicht abhalten.“ Deutschland sei in dieser Frage nicht neutral, auch wenn es legitime Anliegen der Palästinenser unterstütze. Deutschland und Israel, so der Bundestagsabgeordnete, stehen füreinander ein, auch wenn es gegen Antisemitismus gehe, ganz gleich ob von rechts, von links oder sich einschleichend in die Mitte der Gesellschaft. Dass in Deutschland alle drei Stunden ein antisemitischer Vorfall gemeldet würde, sei beschämend, ebenso wie die Zahl von 88 antisemitischen Gewalttaten 2022 bundesweit.

Bei Bürgermeister Reiner Breuer (l.) trugen sich Ron Prosor (Mitte) und Hermann Gröhe (r.) ins Goldene Buch der Stadt Neuss ein. Mit dabei: Bert Römgens (Mitte, hinten).

Bei Bürgermeister Reiner Breuer (l.) trugen sich Ron Prosor (Mitte) und Hermann Gröhe (r.) ins Goldene Buch der Stadt Neuss ein. Mit dabei: Bert Römgens (Mitte, hinten).

Foto: Andreas Woitschützke

Botschafter Ron Prosor bescheinigte Deutschland grundsätzlich viel zu tun, um Antisemitismus zu bekämpfen, allerdings in erster Linie, wenn es sich um Antisemitismus von rechts handele: „Bei Links-Antisemitismus wird es problematisch, da wurden mehrfach Linien überschritten.“ Prosor nannte als Beispiel unter anderem den Antisemitismus-Skandal bei der Documenta 2022 in Kassel. Aus israelischer Sicht sei es unverständlich, dass dort ungestraft Kunstwerke mit eindeutig antisemitischen Botschaften gezeigt werden konnten.

Deutsche und europäische Kritik an der geplanten Justizreform in Israel wies der Botschafter zurück: „Wir brauchen keinen Zeigefinger!“ Die große Zahl der Demonstranten in Israel, die ein Ende der unabhängigen Justiz befürchten, sei der beste Beweis für die Stärke der demokratischen Strukturen in Israel. „Gäbe es keine Demonstrationen, dann müssten Sie sich Sorgen machen.“ Als Präsident Emmanuel Macron seine Rentenreform mit Sonderbestimmungen am Parlament vorbei durchgeboxt habe, habe sich auch niemand um die Rechtsstaatlichkeit in Frankreich gesorgt. Die Demokratie sieht Prosor in seinem Land nicht gefährdet, intensive Diskussionen und Debatten seien Teil der israelischen Kultur.

Allerdings mahnt auch der Botschafter dazu, Kompromisse zu finden und eine tiefgreifende Spaltung des Landes zu vermeiden – schon aus ureigensten Sicherheitsinteressen: „Unsere Nachbarn schauen genau hin und werden versuchen Schwächen ausnutzen.“ Israel sei im ständigen Verteidigungsmodus, umgeben von Ländern, „die nicht Luxemburg und San Marino sind“, sagte der Botschafter. „Wir verteidigen unsere Gesellschaft, unsere Demokratie. Und, ja, auch wir machen Fehler und wir sind keine Engel, aber wir versuchen, es grundsätzlich richtig zu machen.“

Neben der Hamas, die selbst auf den Rückzug Israels aus Siedlungsgebieten immer wieder mit neuer Gewalt geantwortet habe und die für die Gründung eines Terrorstaates verantwortlich sei, von dem täglich Angriffe ausgingen, nannte Prosor vor allem den Iran als gefährlichsten Gegner Israels im Nahen Osten. Nicht das iranische Volk, aber die iranische Führung bedrohten nicht nur Israel, sondern die ganze Welt.

Israel habe schon früh davor gewarnt, der Westen hingegen habe zu lange auf Dialog gesetzt. Erst nach den jüngsten Gewalttaten gegen die iranische Bevölkerung und mit dem Einschlag iranischer Drohnen in der Ukraine werde dieser Kurs langsam korrigiert. „Sollte der Iran Atomwaffen entwickeln, kann niemand auf der Welt mehr ruhig schlafen“, sagte der Botschafter und forderte auf, die strategische Lage im Nahen Osten genauer zu analysieren statt mit vermeidlich einfachen Forderungen wie der nach einer Zwei-Staaten-Lösung für die Palästinafrage zu agieren. Verhandlungen und Zusammenarbeit mit Staaten wie Ägypten oder Jordanien zeigten, wozu Israel bereit sei: „Wir brauchen den Frieden.“

Bei allen Gefahren sieht Prosor aber auch Anzeichen eine Zeitenwende im Nahen Osten. Dafür stehe etwa das diplomatische Abkommen der Abraham Accords, das Dialog und zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit stärken soll, unterzeichnet neben Israel und den USA unter anderem auch von den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das Ziel: Frieden und Annäherung durch Zusammenarbeit etwa in Wirtschaft und Forschung.

In den Beziehungen zu Deutschland, so der Botschafter, habe sich gezeigt, welches Potenzial Kooperationen in Wissenschaft und Mittelstand, aber auch Instrumente wie der Jugendaustausch oder Städtepartnerschaften wie die gerade vereinbarte zwischen Neuss und Herzliya hätten.

Deutschland sei nach den USA der zweitwichtigste strategische Partner Israels, eine Partnerschaft, die sich, so der Botschafter, für beide Seiten auszahle, bis hin zu möglichen Lieferungen israelischer Flugabwehrraketen an Deutschland und Europa: „Nach 75 Jahren und vor dem Hintergrund unserer gemeinsamen Geschichte könnte Israel helfen, Deutschland und Europa zu verteidigen – wer hätte das gedacht, nicht schlecht!“ Ron Prosor zeigte sich stolz auf die Entwicklung seines Landes vor allem in Wissenschaft und Wirtschaft. Ein Grund dafür sei die besondere Innovationskraft in Israel und eine Kultur, in der Scheitern keine Schande, sondern Ansporn für einen neuen Anlauf sei, der in der Regel auch Unterstützung finde: „Vor zwei Jahren sind wir auf dem Mond gelandet – okay, es war eine Bruchlandung, aber in zwei, drei Jahren...“

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