Konzept gegen Einsamkeit Plauderkassen für Neuss im Gespräch

Neuss · Die Politik hat beschlossen, das Seniorenkonzept für die Stadt zu vertiefen – mit einer niederländischen Idee?

Die niederländische Supermarktkette Jumbo sorgte Mitte vergangenen Jahres mit einer ungewöhnlichen Maßnahme für Aufsehen. Sie richtete in Vlijmen, in der Nähe von ’s-Hertogenbosch, die erste „Plauderkasse“ ein. Die Idee dahinter: Dort soll es nicht darum gehen, so schnell wie möglich abzukassieren, sondern sich bewusst Zeit zum Plaudern mit den Kunden zu nehmen. Die auf den ersten Blick kuriose Idee hat allerdings einen ernsten Hintergrund. Denn der niederländische Marktleiter richtete die Kassen ein, weil er bei vielen älteren Kunden eine Tendenz zur Einsamkeit feststellte.

 Die Idee für die Plauderkassen stammt aus den Niederlanden, genauer gesagt von der Supermarktkette Jumbo.

Die Idee für die Plauderkassen stammt aus den Niederlanden, genauer gesagt von der Supermarktkette Jumbo.

Foto: Jumbo-Supermarkt/Jumbo

Diese Tendenz wird auch in der Stadt Neuss wahrgenommen. Darum wurde in der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses beschlossen, dass das „Konzept für Seniorinnen und Senioren – Strukturen für die Zukunft“ weiter vertieft werden soll. Ebenfalls grünes Licht gab es in diesem Zusammenhang für den Antrag von CDU und Grünen, die Verwaltung zu beauftragen, mit Sozialverbänden und Kirchen ein Kommunikationskonzept zu erstellen. Mit dem sollen Betroffene besser über die vorhandenen Angebote zur Vermeidung von Einsamkeit informiert werden. Auch soll überprüft werden, ob die Angebote und deren Verteilung überhaupt ausreichen.

Beim gemeinsamen Ideenaustausch darüber, welche Projekte und Maßnahmen man bei der Vertiefung des Senioren-Konzeptes für Neuss berücksichtigen könnte, wagte Susanne Benary von den Grünen den Vorstoß, die Plauderkassen nach niederländischem Vorbild auch in der Quirinusstadt umzusetzen. „Ich halte es für wichtig, solche Begegnungsräume zu schaffen“, begründete die Stadtverordnete. Man könne zwar Supermarktketten – zum Beispiel per Antrag – nicht dazu zwingen, solche Spezial-Kassen einzurichten, allerdings bestehe die Möglichkeit, Händler auf dieses Projekt hinzuweisen und dabei auch mit der Zukunftsinitiative Innenstadt Neuss (ZIN) zusammenzuarbeiten. Darüber hinaus solle man auch in die einzelnen Stadtteile gehen und schauen, wo man dort Raum für Begegnungen und Gespräche schaffen kann.

Die Idee von Susanne Benary fand Anklang bei den anderen Ausschuss-Mitgliedern. Karin Kilb, CDU-Stadtverordnete und Seniorenbeauftragte der Stadt, bestätigte aus eigener Erfahrung den großen Redebedarf bei älteren Menschen. „Gespräche zu führen, ist eine meiner wichtigsten Aufgaben. Manchmal rede ich eine halbe Stunde mit den Senioren – ohne zu wissen, mit welchem Anliegen sie überhaupt zur Sprechstunde gekommen sind“, sagt sie.

Sozialdezernent Ralf Hörsken berichtete ebenfalls von eigenen Erfahrungen. Als Beispiel nannte er seine Eltern: „Sie wissen, wie viele Kinder die Kassiererin und wann die Frau an der Käsetheke Geburtstag hat.“ Auch aus Wahlkampf-Zeiten wisse er, dass ältere Menschen oft nicht an die Stände der Fraktionen kommen, um über Politik zu sprechen, sondern um überhaupt einen Gesprächspartner zu haben. In Zeiten, in denen es den Zivildienst noch gab, sei es wesentlich leichter gewesen, ältere Menschen zu begleiten. „Leider gibt es das nicht mehr, also müssen wir uns anders behelfen“, so Hörsken, der im Ausschuss – bei all den konstruktiven Vorschlägen der Mitglieder – auf die angespannte Personalsituation aufmerksam machte. So habe er als Sozialdezernent die Aufgabe, seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten und Stellen einzusparen.

In der Antragsbegründung werden auch die Lotsenpunkte, die im Stadtgebiet verteilt sind und als Anlaufstellen für Senioren dienen, von der schwarz-grünen Koalition als „beispielhaft“ bezeichnet. In derselben Sitzung war deshalb auch die Einrichtung zwei weiterer Lotsenpunkte beschlossen worden – im DRK-Familienbildungswerk in Reuschenberg und im St.-Augustinus-Memory-Zentrum in der Nordstadt. Nun gibt es stadtweit insgesamt neun davon.

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