Orgelsommer in Neuss Glanzvolles und spannungsgeladenes Orgelspiel in St. Quirin

Neuss · Dem französischen Komponisten und Organisten Louis Vierne ist der „Orgelsommer“ in St. Quirin gewidmet. Münsterkantor Joachim Neugart hat dazu namhafte Kollegen eingeladen.

 Joachim Neugart am Spieltisch der Münsterorgel.

Joachim Neugart am Spieltisch der Münsterorgel.

Foto: Berns, Lothar (lber)

Nur 120 Plätze dürfen wegen der Pandemie zur Zeit in der Quirinusbasilika besetzt werden. Die Zahl reichte aber aus, um die bisher vier Konzerte im Orgelsommer unter dem Motto „Vive Louis Vierne!“ durchzuführen. Eigentlich sollte Peter van den Velde, Domorganist an der Liebfrauenkathedrale in Antwerpen, spielen. Er durfte nicht einreisen, weil Antwerpen zu den Virus-Hotspots zählt. Joachim Neugart ist es gelungen, kurzfristig mit Gereon Krahforst, Abteiorganist am Benediktinerkloster Maria Laach, hochkarätigen Ersatz zu finden.

Krahforst spielte zudem Werke, die auch van de Velde geplant hatte, so die „Orgelsymphonie Nr. 3 fis-Moll“ von Vierne. Die meist gespielte Symphonie in fünf Sätzen nutzt die Klangfülle, die der Komponist auf seiner Orgel in Notre-Dame tatsächlich zur Verfügung hatte. Krahforst kennt die größte Neusser Orgel gut genug, um auch auf ihr das gewaltige, hoch virtuose Finale zu einem glänzenden, ja fast ekstatischen Abschluss zu führen.

Ein weiterer Höhepunkt war Charles-Arnaud Tournemire. Wie Vierne vor 150 Jahren geboren, hat mit César Franck und Charles-Marie Widor dieselben Lehrer gehabt und war an der ebenfalls bedeutenden „Orgelkirche“ Ste Clotilde in Paris Organist (1898 bis zu seinem Tod 1939). „Er steht zu Unrecht ein wenig im Schatten von Vierne“, sagte der Interpret und zeigte das eindrucksvoll an „Paraphrase-Carillon“ aus dem „L‘Orgue Mystique“ von Tournemire.

Die „Paraphrase“ ist das letzte Stück zum am Tage zuvor in Maria Laach gefeierten Fest „Mariä Himmelfahrt“ und basiert auf dem gregorianischen Choral „Ave Maris Stella“. In der Zugabe erinnerte Krahforst mit seinem eigenen Choralvorspiel zu „Wunderschön prächtige, himmlische Frau“ vollendet an den Feiertag.

Bereits vor 20 Jahren hat Christian von Blohn, Dekanatskantor für das Bistum Speyer in St. Ingbert, in einem Hochamt in der Quirinusbasilika gespielt. Nun kehrte er wieder beim vierten Konzert des Orgelsommers und stellte sich als technisch höchst profilierter und variantenreicher Organist vor. Das faszinierende und stets aufs Neue begeisternde Werk von Louis Vierne stellte er mit dessen erster Symphonie in d-Moll vor.

Die Aufführung geriet zum spannungsgeladenen Ereignis, auch, weil der Organist dem Gesamtwerk zwischen den vitalen Phrasen einen angemessenen Atem gab und so die Sätze klar durchhörbar machte. Das kam dem zweiten Satz, Viernes einziger Fuge mit barockem Auftakt als Hommage an J.S. Bach ebenso zugute wie dem triumphalen Fortissimo im grandiosen Finale.

Weil Von Blohn gerne historische Werke mit zeitgenössischen Kompositionen kombiniert, gab es einen weiteren Glücksfall: Die acht Variationen „Mit seinem Geist und Gaben“ von Naji Hakim wurden zu einem rauschenden und die Zuhörer berauschenden Orgelfest. Naji Hakim (64) variiert erfindungsreich den Martin Luther-Choral „Ein‘ feste Burg“ und fantasiert tänzerisch-freudig über Psalm 43, Vers 5: „Dennoch soll die Stadt fein lustig bleiben...“. Dass Christian von Blohn in der Zugabe Viernes bekanntestes Orgelstück „Carillon de Westminster“ spielte, setzte einem glänzenden Abend die Krone auf.

Info Das letzte Konzert bestreitet der „Hausherr“, Münsterkantor Joachim Neugart, am Sonntag (23.), 20 Uhr.

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