Gerhard Stamm geht in Rente Neusser Stadtarchiv verliert sein „wandelndes Lexikon“

Neuss · Nach über 34 Jahren geht Gerhard Stamm heute in Rente. Er war für alle Archivbenutzer erste Adresse und vielen ein Helfer.

 Gerhard Stamm verlässt seinen „Stammplatz“ im Lesesaal.

Gerhard Stamm verlässt seinen „Stammplatz“ im Lesesaal.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Der Westfale gilt als treue Seele. Wenn jemand diesem Bild entspricht, dann ist es Gerhard Stamm. Dem Bibliothekar in Diensten des Stadtarchivs hat die Personalverwaltung sogar schriftlich mitgeteilt, dass er heute seinen letzten Arbeitstag hat und nach 34 Jahren und fünf Monaten im Dienst in Rente gehen muss. Doch Stamm macht einfach weiter. Alle zwei Wochen will er für drei Tage aus seinem Heimatort Bilstein im Kreis Olpe anreisen, um weiter Ordnung in die zeitgenössische Sammlung zu bringen. Ehrenamtlich – und auch weil es eine Frage der Berufsehre ist.

Im Februar 1984 trat Stamm seinen Dienst bei der Stadt an. Es war seine erste Stelle nach dem Studium an der Fachhochschule für Bibliotheks- und Dokumentationswesen in Köln und ist auch seine letzte. Erstwohnsitz blieb immer Bilstein, während er sich für die Werktage eine kleine Wohnung in Norf als Zweitwohnsitz einrichtete. Die wird er vorerst weiter halten – für sein Ehrenamt. Seine Stelle allerdings ist schon ausgeschrieben. Wegen besonderer Dringlichkeit.

„Über Jahrzehnte hat Gerhard Stamm mit Ausdauer, Engelsgeduld und großem Verständnis beraten und geholfen, wo immer er konnte“, beschreibt Stadtarchivar Jens Metzdorf seinen Mitarbeiter. Stamm sei „selbst ein wandelndes Lexikon und hatte stets ein offenes Ohr für alle Menschen, die ihn ansprachen“. Und das waren viele. Denn für die meisten Archivbesucher und Archivbenutzer war der Sauerländer die erste Anlaufstelle. Er führte von seinem Schreibtisch im Lesesaal aus Regie, pflegte die Bücherei des Instituts und auch die zeitgenössische Sammlung, zu der Presseartikel gehören, aber auch Festschriften und Plakate. Allein die Auswertung der Totenzettel gab er irgendwann auf, weil ja schließlich auch die Standesamtsakten zum Archivbestand gehören. Vor allem aber suchte er im Gespräch zu ergründen, wie er jedem Stadtarchivnutzer wohl am besten helfen könnte und grub dazu auch in den Beständen im Magazin nach den passenden Akten. Er selbst, sagt der Bilsteiner, der um ein Haar Betriebswirt geworden wäre, habe dabei „viel über Neuss gelernt“.

Einen Teil der Zeit, über die er jetzt wieder freier verfügen kann, will Stamm nutzen, um wieder mit dem Laufen anzufangen. Marathonläufe aber strebt er nicht mehr an.

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