Neusser Georg Penker Plädoyer für eine Natur voller Wunder

Neuss · Der Neusser Georg Penker hat Gartenschauen und eine Olympia-Regattastrecke geplant. Am Freitag beginnt er sein 95. Lebensjahr.

 Der junge Penker in Aktion. Zu seinem Geburtstag empfängt er heute den engsten Familienkreis.

Der junge Penker in Aktion. Zu seinem Geburtstag empfängt er heute den engsten Familienkreis.

Foto: Wolfgang Maes

Deutschland war seine Bühne, die er von Neuss aus bespielte. Er gewann die Wettbewerbe zur Gestaltung der Bundesgartenschauen in Berlin (1983) und Düsseldorf (1985), von ihm stammt die Grünanlagen-Konzeption der Universitäten in Bochum und Düsseldorf, er plante die olympische Regattastrecke in München – die Liste seiner (inter-)nationalen Projekte ist lang und prominent. Zuhause ist er aber seit nahezu 60 Jahren mit seinem Büro und mit seiner Familie in Neuss, wo er zurückgezogen in Weißenberg lebt. Georg Penker ist einer der großen Botschafter seiner Stadt. In seinem Heim in der Bolssiedlung feiert er am Freitag – die Coronakrise diktiert den engsten Familienkreis als Gäste – gemeinsam mit seiner Frau Erika den Beginn seines 95. Lebensjahres.

Vor fünf Jahren hat er sein Büro an der Hermann-Klammt-Straße geschlossen. Seither ist Georg Penker damit beschäftigt seine „Hinterlassenschaft zu ordnen, zu gewichten und zu bewerten“. Mit dem Baukunstarchiv NRW hat er vereinbart, dass seine Unterlagen demnächst in Dortmund dokumentiert werden. Zu denen, die in Neuss um den Wert der Schaffenskraft von Georg Penker wissen, gehört Jens Metzdorf. Der Leiter des Stadtarchivs bemüht sich sehr, dass die Pläne, Skizzen, Ideen des Neusser Architekten und Landschaftsplaners für die Nachwelt erhalten bleiben. Penker hat auch in der direkten Nachbarschaft seines Standortes Spuren hinterlassen. Die Grevenbroicher Landesgartenschau von 1995 trägt seine Handschrift. Ein Jahr später gewann er mit seinem Konzept der „100 kleinen Schritte“ den stadtplanerischen Wettbewerb in Neuss. Von seinen Empfehlungen wurden unter anderem der autofreie Markt, die Freitreppe am Freithof oder die Umgestaltung des Glockhammers umgesetzt.

Dass Georg Penker einmal am Niederrhein heimisch werden würde, hat er selbst als junger Mann nicht gedacht. Er wurde in Oberbayern geboren. Sein Elternhaus steht in Nandlstadt, Kreis Freising. Der Holledau ist die Landschaft, wo der Hopfen wächst. Auch seine Eltern hatten einen Hopfengarten und der junge Georg Penker sagt heute rückblickend, dass er „mit der Natur verbunden“ aufwuchs. Nach seinem Studium an der Gartenbauschule Freising folgte er seinem Institutsleiter, als der in Düsseldorf die Leitung des Gartenbauamtes übernahm. Für das arbeitete auch Penker vier Jahre, ehe er sich 1958 selbständig machte und 1962 nach Neuss wechselte.

In all den Jahren ist Georg Penker nach eigener Einschätzung „nicht so ganz ein Neusser“ geworden. Er habe das Gefühl gehabt, dass ihn manche nicht mochten: „Und anbiedern wollte ich mich nicht“. Trotzdem fühle er sich in Neuss wohl. Gute Kontakte habe er zum Planungsdezernenten Stefan Pfitzer gepflegt, mit den BDA-Kollegen Küppers, Pfleiderer oder auch Saarbourg habe er schon mal kritische Positionen zu Planungsvorhaben in der Stadt eingenommen. So verfolgt er „neugierig“, was aus dem Wendersplatz wird und bezeichnet das Rennbahn-Areal als „fantastisch“. Er warnt davor, „dort zu viel zu tun“. Sein Rat: „Stadt braucht Raum. Behaltet diesen freien grünen Raum.“

Georg Penker hat ein gewaltiges Lebenswerk gestaltet, dessen Leitmotiv zum Titel seines Buches wurde, das 1997 erschien: „Im Dialog mit der Natur“. Der Satz geht auf den Philosophen Jean-Jacques Rousseau zurück und wurde zur Lebensmaxime des Georg Penker, der sich in seiner Arbeit permanent mit dem Spannungsverhältnis von Natur und Zivilisation auseinandersetzt. Penker schreibt früh in seinen Essays, was heute – 20, 30 Jahre später – vor allem junge Menschen bei den Demonstrationen „Fridays for Future“ auf die Straße treibt: „Künstlichkeit triumphiert bis zum Exzess, wird ungehemmt genutzt, gestaltet ohne zu reflektieren, so dass unsere Erde zu einem absehbaren Zeitpunkt ,global gestaltet‘ sein wird.“ Der Globus werde zum Gesamtkunstwerk, die Natur museal in Naturparks verbannt. Dieser fast schon resignativen Utopie setzt Penker in der Einführung zu seinem Buch die „Wiederentdeckung der Poesie“ entgegen. Nur ein Garten, ein Park provoziere Gefühle. „Nur so erliegen wir seinem Zauber, und nur so können wir die Komplexität der vieldeutigen Welt gegen die destruktiven Kräfte der Vereinfacher retten.“ Doch Penker, der die Natur voller Wunder erlebt, bleibt kämpferischer Optimist. Endzeitstimmung sei nicht gefragt, aber: „Nachdenken ist angesagt.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort