„Abbas ist der Star im Camp“ Asylbewerber retten Vogel-Baby in Neuss

Neuss · Von der Straßenbahn aus entdeckt Asylbewerber Mostafa Mahmoud einen verletzten Babyvogel. Er fährt zurück, versorgt ihn, gibt ihm einen Namen. Jetzt ist „Abbas“ im Flüchtlingscamp Neuss eine Legende.

Die Asylbewerber Mostafa Mahmoud, Zoheir Al-Hussein, Khalil Al-Suleiman und Mohammed Alomar (von links) haben in Neuss ein Taubenbaby gefunden und gerettet.

Die Asylbewerber Mostafa Mahmoud, Zoheir Al-Hussein, Khalil Al-Suleiman und Mohammed Alomar (von links) haben in Neuss ein Taubenbaby gefunden und gerettet.

Foto: Hanna Fecht

In der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Neuss ist derzeit häufig von einem gewissen „Abbas“ die Rede. Ein aus dem Nest gefallenes Ringeltauben-Baby, das Mostafa Mahmoud, einer der Bewohner, von der Straßenbahn aus entdeckt hatte. „Ich habe den Vogel unter einem Baum liegen sehen, er hatte eine schwere Kopfverletzung und wirkte schwach. Also habe ich meine Verabredung in der Stadt sausen lassen, bin an der nächsten Haltstelle ausgestiegen und wieder zurückgefahren.“

Mahmoud organisierte sich eine Papiertüte, trug das Kleintier zum Camp und prüfte es auf weitere Verletzungen, dann fütterte er es, gab ihm Wasser und einen Namen. Inspiriert von dem Stofftier, das er seinem Neffen zur Geburt geschenkt hatte, wird aus dem namenlosen Taubenbaby „Abbas“ - und aus „Abbas“ ein prominenter Camp-Bewohner. Auf den Fluren ist plötzlich ständig die Rede von dem kleinen Vogel, alle wollen wissen, ob es ihm gut geht, wo er jetzt ist und was er macht. „Abbas bekommt auf jeden Fall Asyl, er ist der Star bei uns im Camp“, scherzen die Asylbewerber. Und sogar deren Familien in der Türkei, Syrien und Algerien erkundigen sich am Telefon nach der kleinen Ringeltaube aus Deutschland.

In einer Papiertüte wurde das Ringeltaubenbaby Abbas zum Flüchtlingscamp in Neuss transportiert, dort kümmerten sich die Bewohner gemeinsam um das Vogelbaby.

In einer Papiertüte wurde das Ringeltaubenbaby Abbas zum Flüchtlingscamp in Neuss transportiert, dort kümmerten sich die Bewohner gemeinsam um das Vogelbaby.

Foto: Ibrahim Zerara

Beim Tierheim in Neuss erreichen Mahmoud und seine Freunde zunächst niemanden, also nehmen sie Abbas mit auf ihr Zimmer. Wie in einer Art Schichtsystem teilen sich die Männer die Fürsorge auf, einer hält das geschwächte Vögelchen die ganze Nacht über im Auge, schaut stündlich, ob es ihm gut geht. Am nächsten Morgen wird er von Abbas‘ fidelen Sprüngen durchs Zimmer geweckt.

Die Campbewohner kennen sich erstaunlich gut mit Tauben aus, viele von ihnen haben die Vögel in ihren Herkunftsländern gezüchtet. „So junge Tiere können ohne ihre Eltern nicht überleben, deshalb ist die Fütterung das wichtigste, um die Kleinen durchzubringen“, erklärt Khalil Al-Suleiman, der über 100 Tauben auf seiner Farm in Syrien hatte. Per Handfütterung hielt er Abbas zwei Tage über am Leben, dann durfte das Taubenbaby zur Kleintierpraxis im Ort gebracht werden.

Inzwischen befindet sich Abbas bei der Tierschutzorganisation Notpfote Animal Rescue/Federheim. Dort kümmert sich Wildtier-Experte Herbert Zitzelsberger um das Tier, bis es wieder ausgewildert werden kann. Abbas geht es mittlerweile schon viel besser.

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