Tierischer Einsatz in Neuss Falken sollen das Jröne Meerke retten

Neuss · Die Gänsepopulation in der Grünanlage ist ein Dauerproblem, dem die Stadt nun mit Greifvögeln Herr werden möchte.

Neuss: Falken sollen das Jröne Meerke retten
Foto: Pixabay Fotodienst/Pixabay

Dezernent Ralf Hörsken sorgte für Lacher im jüngsten Jugendhilfeausschuss, als er scherzhaft vorschlug, eine große Vogel-Voliere über den Wasserspielplatz am Jröne Meerke zu errichten. Doch in diesem Scherz steckte auch ein Hauch Verzweiflung. Denn eine wirkliche Idee, wie man die Wildgänse-Population in dem Gebiet eindämmen kann, gab es bislang nicht. Da die Tiere Exkremente in dem Wasser der Anlage hinterlassen und dadurch Gesundheitsrisiken bei der Nutzung entstehen, hatte der Landrat den Wasserspielplatz vor Wochen stilllegen lassen. Der Tenor: Entweder Wildgänse – oder Wasserspielplatz. Hörsken regte sogar an, den Platz umzuplanen – und in ein „Schlamm-Erlebnis“ für Kinder zu verwandeln.

Doch nun zeichnet sich eine andere Lösung ab. Sie hat einen gekrümmten Schnabel, spitze Flügel und kann die Halswirbelsäule um 180 Grad drehen. Bürgermeister Reiner Breuer will prüfen lassen, das bestätigte er unserer Redaktion, ob ein Wanderfalke tatsächlich die hartnäckigen Wildgänse vertreiben kann. Am Montag-Nachmittag machte sich Breuer auf den Weg nach Düsseldorf-Angermund, um dort den Falkner Luitger Schnurbusch zu besuchen – und um die ersten Gespräche, unter anderem bei der Expo Real in München geführt, zu vertiefen. Schnurbusch, der aus einer Falknerfamilie stammt, sei in diesem Bereich „hochkompetent“. Breuer rührt also bereits fleißig die Werbetrommel.

Aber wie soll der Falken-Einsatz eigentlich funktionieren? Der Greifvogel wird zunächst im Einsatzgebiet angesiedelt und soll dort für den sonst natürlicherweise vorherrschenden Feinddruck sorgen. „Es wird simuliert, dass es sich jetzt um das Gebiet des Greifvogels handelt“, sagt Schnurbusch, der diese Methode unter anderem bereits auf der Müllverbrennungsanlage in Düsseldorf einsetzte, um dort die Möwen zu vertreiben. Sobald die Wildgänse diesen „Machtwechsel“ realisieren, würden sie sich umgehend zurückziehen. „Dieser Fressplatz wird dann aufgrund der Anwesenheit des Falken für die Wildgänse unattraktiv“, sagt der Falkner, der in Meerbusch wohnt.

Aber ist das Gänseproblem durch die Vergrämung wirklich behoben oder nur verschoben? „Die Tiere ziehen natürlich weiter und suchen sich einen anderen Fressplatz“, sagt der Greifvogel-Experte. Das Revier eines Wanderfalken sei jedoch rund 200 Hektar groß, eine großflächige Vergrämung könne also gewährleistet werden.

Hinter der Stadt Neuss liegen jahrelange Versuche, die Gänsepopulation am Jröne Meerke einzudämmen – diese blieben jedoch erfolglos, weil Natur-, Vogelschutz- und Jagdrecht einen Strich durch die Rechnung machten. Die Stadt versuchte daraufhin sogar, die Gänse zur „Attraktion“ zu erheben und bot gar Exkursionen zu den Tieren an, wissenschaftliche Aufklärung inklusive. Schließlich würden Vogelkundler zum Teil von weither anreisen, um diese einzig freie Brutpopulation dieser Art in Westeuropa bestaunen zu können, die seit Anfang der 1980er Jahre in Neuss heimisch ist. Doch nun scheint das Interesse an Wildgänsen als Neusser Attraktion im wahrsten Sinne des Wortes „verflogen“ zu sein.

Der mögliche Einsatz in Neuss soll kein einmaliges Gastspiel für Schnurbusch sein, dessen Vater Franz ebenfalls Falkner ist. Denn der 42-Jährige möchte seine eigene zentrale Falknerei inklusive einer Greifvogel-Auffangstation eröffnen – und zwar gerne auf Neusser Stadtgebiet. Mit diesem Hintergrund wurde Schnurbusch, der auch eine Aufzugfirma leitet und Stallungsanlagen baut, von der Stadt Neuss zur Expo Real eingeladen. Doch die Suche wird kein leichtes Unterfangen, denn das Gelände, das Schnurbusch sucht, muss mindestens vier Hektar groß und bebaubar sein. Sollte er in Neuss nicht fündig werden, kämen auch Gelände in anderen Kommunen des Rhein-Kreises Neuss infrage. Ein Haupteinsatzgebiet für Vergrämungsmaßnahmen sind Flughäfen. Denn treffen Vogelschwärme in der Luft auf Flugzeuge, kann es gefährlich werden. Im schlimmsten Fall kommt es zum Absturz der Maschine. Nach der Brutzeit ist besondere Vorsicht geboten. Der materielle Schaden auf Flughäfen wird weltweit auf mehrere Milliarden Euro geschätzt. 2016 wurde auf dem Flughafen Weeze sogar ein Roboter-Falke getestet, der Vögel vertreiben sollte. Die Drohne besteht aus Nylon, Carbon und Glasfaser und soll so echt wirken, dass Vögel sie als natürlichen Feind wahrnehmen. In Neuss hält man es aber wohl lieber klassisch.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort