Veranstaltungsreihe in Neuss Eindrucksvoller Kafka-Abend im Zeughaus

Neuss · Beim zweiten Abend der Zeughauskonzerte stand der berühmte Schriftsteller im Vordergrund. Die Musiker gingen beeindruckend auf ihn ein.

 Dominique Horwitz setzte sich im Zeughaus mit den absurd-existenziellen Geschichten von Franz Kafka auseinander.

Dominique Horwitz setzte sich im Zeughaus mit den absurd-existenziellen Geschichten von Franz Kafka auseinander.

Foto: Ralf Brinkhoff

Der deutschsprachige Schriftsteller jüdischer Abstammung Franz Kafka, 1883 in Prag geboren, stand im Mittelpunkt des zweiten Abends der Zeughauskonzerte. Kafka und Konzert? Die zum Ende alle Zuhörer begeisternde Lösung lautete „Wort und Musik“, für die Rainer Wiertz, Kulturdezernent der Stadt Neuss und künstlerischer Leiter der Zeughauskonzerte, den Schauspieler, Sänger und Autor Dominique Horwitz sowie das „Signum Quartett“ gewinnen konnte.

Der kurze Prosatext „Gib’s auf!“ nach einem morgendlichen Aufbruch machte zu wienerischem Walzer fast programmatisch den Anfang. Hier waren noch die meisten Zuhörer sehr irritiert, sodass Dominique Horwitz den Violoncellisten Thomas Schmitz fragte: „Sind wir hier in einem Klassikkonzert, wo nicht applaudiert werden darf?“ Die Reaktion des Publikums erfolgte spontan. Thomas Schmitz musizierte im Signum Quartett zusammen mit Florian Donderer und Annette Walther (Violinen) sowie Xandi van Dijk (Viola) in perfekter Abstimmung mit dem Rezitator.

Besonders eindrucksvoll war die Auswahl der ausnahmslos modernen Werke, die sich auf vielfach verblüffende Weise den Parabeln, Erzählungen und Kurzgeschichten Kafkas näherten. Ein „Andante“ aus Alfred Schnittkes Streichquartett Nr. 3 illustriert „Der Geier“, der an den Füßen des Wanderers arbeitet und schließlich in dessen Blut ertrinkt, höchst dramatisch. Zu dieser skurrilen Geschichte Kafkas passt spektakulär, dass Schnittke aus Orlando di Lassos „Stabat mater“ zitiert. Zu der nur 20 Sätze kurzen Parabel „Die Heimkehr“ erklingt das nostalgische und im Tonfall heitere „O Albion“ des jungen britischen Komponisten Thomas Adés. Dominique Horwitz, der exakt jede musikalische Wendung in Körper, Gestik und Mimik nachvollzieht, liebt den direkten Kontakt zum Publikum. Er kündigt Kafkas Parabel „Der Aufbruch“ an, steht plötzlich auf und lädt Besucher der ersten Reihen ein: „Sie haben mehr davon, wenn Sie zuhören und zuschauen anstatt im Programm zu blättern.“ Die so direkt Eingeladenen verlassen spontan das Zeughaus. Dominique Horwitz wiederholt den Titel „Der Aufbruch“. Insgesamt elf Kafka-Texte werden rezitiert und durch genial ausgewählte Musik untermalt. In zwei rein instrumentalen Intermezzi brillierte das Signum Quartett, darunter Debussys bedeutendes Streichquartett g-Moll.

Was die Zuhörer in zunehmendem Maße begeisterte, drückt Martina Gedeck, ebenfalls wie Dominique Horwitz das Format „Wort-Musik“ pflegend, so aus: „Umrahmt von Musik tritt Sprache klarer hervor, umrahmt von Sprache leuchtet Musik tiefer auf.“ Wie wahr für diesen wunderbaren Abend!. Schade nur, dass die Zuhörer auf dem Balkon des Zeughauses nicht alle Texte uneingeschränkt verstehen konnten.

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