Debatte um Neusser CDU-Vorschlag Schlechte Noten = weniger Ferien?

Neuss · Die von Andreas Hamacher (CDU) vorgeschlagene Ferienkürzung erregt nach wie vor die Gemüter. Der Politiker fordert mehr Ferien für bessere Schüler.

 Blick in ein Klassenzimmer (Symbolfoto).

Blick in ein Klassenzimmer (Symbolfoto).

Foto: dpa

Es war ein Vorschlag, der in der vergangenen Woche für Aufsehen sorgte: Dass sich Andreas Hamacher, stellvertretender Vorsitzender der Neusser CDU, dafür einsetzt, dass schlechte Schüler weniger Sommerferien erhalten sollen - nur noch viereinhalb Wochen für einen Dreierschnitt -, brachte dem Juristen auch Gegenwind aus der eigenen Fraktion in Person der Vorsitzenden Helga Koenemann ein.

Nun bekommt Hamacher Rückendeckung von der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU Neuss: „Schulabgänger der verschiedenen Qualifikationsstufen sind heute oftmals nicht einmal mehr in der Lage, eine fehlerfreie Bewerbung zu schreiben. Das gilt auch für Abiturienten.“ Vor diesem Hintergrund komme der umstrittene Vorstoß von Hamacher „für eine bessere praxisgerechtere Bildung“ zur rechten Zeit, erklären MIT-Chef Klaus Goder und Vorstandsmitglied Thomas Klann unisono. Das Duo unterstützt Hamachers Forderung, den Abwärtstrend an Schulen zu stoppen sowie sein Anliegen, auch leistungsstarke Schüler ihren Begabungen entsprechend zu fördern, insbesondere auch für handwerkliche und gewerbliche Berufsbilder. „Sicherlich wird auch noch einmal im Detail darüber zu sprechen sein, ob eine zum Teil unglücklich formulierte leistungsabhängige Staffelung der Länge der Sommerferien im Ergebnis der richtige Weg ist“, betonen die MIT-Chefs.

Was Hamachers Parteifreunde „unglücklich formuliert“ nennen, bezeichnet Ralph-Erich Hildebrandt, schulpolitischer Sprecher der Neusser SPD, als „absolute Schnapsidee“. Abgesehen von lernpsychologischen und soziologischen Gründen, sei die Idee im System Schule schlichtweg nicht umzusetzen. „Lediglich rund zehn Prozent der Schüler haben einen Einserschnitt“, erklärt der Lehrer eines Gymnasiums in Langenfeld. Unter Berücksichtigung von Hamachers Vorschlag bekämen somit 90 Prozent der Schüler verkürzte Sommerferien. Das sei nicht nur aufgrund der für Eltern nicht mehr planbaren Urlaube problematisch, sondern auch wegen der baulichen Maßnahmen, die in den Schulen während der Sommerferien üblicherweise erledigt werden. „Die nehmen ja teilweise länger als sechs Wochen in Anspruch“, sagt Hildebrandt, der Hamachers Idee eine „Zwangsverpflichtung der Schüler“ nennt.

Ins gleiche Horn bläst Achim Fischer, Leiter der Janusz-Korczak-Gesamtschule und Sprecher der weiterführenden Schulen in Neuss. „Ich halte die Überlegung für höchst problematisch“, so der erfahrene Pädagoge, der die Idee auf den Arbeitsmarkt überträgt: „Dann müsste jeder Arbeitnehmer bei geringerer Arbeitsleistung weniger Urlaub bekommen.“ Darüber hinaus sei nicht jeder Schüler per se in der Lage, einen Zweier- oder gar Einserschnitt zu erreichen. So gebe es Schüler, die bei voller Ausnutzung ihrer Talente eine Drei holen. Diese sollten nicht noch durch Ferienkürzungen bestraft werden. „Ausschöpfung des individuellen Potenzials lässt sich an Noten nicht ablesen“, sagt Fischer.

Aber was sagen eigentlich diejenigen zu Hamachers Vorschlag, die direkt davon betroffen wären? Die Schüler! Celine Kielbaßa und Marc Wilkowski (beide 16 Jahre alt und im Jahrgang Q1) sind seit kurzem Schülersprecher am Gymnasium Norf. Als Marc Wilkowski erstmals von Hamachers Vorstoß hörte, hielt er ihn zunächst für einen Scherz. „Das geht an der individuellen Situation eines Schülers komplett vorbei“, so der 16-Jährige. Schließlich spielten zahlreiche Faktoren - auch mögliche private Probleme - bei der schulischen Leistung eine Rolle.

Celine Kielbaßa glaubt sogar, dass eine drohende Verkürzung der Ferien die Schüler eher demotivieren könnte, als dass sie sie zu besseren Leistungen anspornt. „Sechs Wochen Sommerferien sind ohnehin schon zu kurz“, sagt die 16-Jährige.

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