Kommunalwahl 2020 in Neuss Bittere Erkenntnisse für die Neusser CDU

Neuss · In einem virtuellen Treffen versuchte die Partie, die schmerzhafte Wahlschlappe vom 13. September aufzuarbeiten. Eine Botschaft: „Alte Gewissheiten haben sich aufgelöst“.

 Guido Hitze analysierte das schlechte Abschneiden der Neusser CDU bei der Kommunalwahl Mitte September.

Guido Hitze analysierte das schlechte Abschneiden der Neusser CDU bei der Kommunalwahl Mitte September.

Foto: Landszentrale/Landeszentrale

Es war ein Abend der unangenehmen Wahrheiten für die Neusser CDU. Eine davon: „Die CDU als Neuss-Partei, davon muss man sich verabschieden.“ Gesagt hat das am Donnerstagabend Guido Hitze. Der Politikwissenschaftler aus Rosellerheide war neben dem Marketingexperten Hans-Willi Schroiff aus Uedesheim und dem ehemaligen NGZ-Redaktionsleiter Ludger Baten einer von drei Referenten, die der Parteivorstand eingeladen hatte, um die krachende Wahlniederlage zu analysieren und erste Handlungsempfehlungen für die Zukunft abzugeben. In Zeiten von Corona selbstverständlich in einer Videokonferenz, an der über 70 CDU-Mitglieder teilnahmen.

Fast neun Wochen ist es jetzt her, dass die Neusser CDU bei der Kommunalwahl eine herbe Niederlage einstecken musste. Wie sich herausstellte sogar die heftigste nach dem Zweiten Weltkrieg. Schließlich blieb nicht nur die Rückeroberung des Rathauses von Amtsinhaber Reiner Breuer (SPD) durch den CDU-Kandidaten Jan-Philipp Büchler ein Traum. Hinzu kam später der Wechsel der Grünen in eine Koalition mit der SPD, so dass auch noch die Mehrheit im Stadtrat verloren ging. Guido Hitze, selbst Mitglied der Neusser CDU, stellte in seiner Analyse heraus, dass das Wahlergebnis nicht aus dem Nichts gekommen, sondern einem langfristigen Trend gefolgt sei.

„Alte Gewissheiten haben sich aufgelöst“, meinte Hitze und begründete das mit einem soziodemographischen Wandel, der sich ebenso aus einem gewöhnlichen Generationswechsel wie aus Zuwanderung speise. Wobei er damit nicht nur Menschen aus dem Ausland meinte, sondern auch Menschen, die aus Nachbarstädten nach Neuss ziehen. Seit der Kommunalwahl 1999, als die CDU mit 55 Prozent der Stimmen einen Höhepunkt erlebte, habe es einen kontinuierlichen Abwärtstrend und eine Annäherung an die SPD gegeben. Das sei auch eine kreisweite Entwicklung, wobei die SPD entgegen dem Bundestrend gewachsen sei. Guido Hitze geht davon aus, dass die CDU mit ihren Themen nicht die richtige Ansprache für Neubürger gefunden und Defizite bei Wählern mittleren und jüngeren Alters sowie Familien habe. Mit Blick auf die Wahlbeteiligung von 48,1 Prozent, die im Rahmen der letzten 20 Jahre liege, es aber weniger CDU-Wähler gebe, sprach Hitze zudem von einem Mobilisierungsproblem.

Hans-Willi Schroiff, ebenfalls Mitglied der Neusser CDU, blickte weniger auf die Zahlen. Als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft, die im Herbst 2019 daran arbeitete, das Profil des weitgehend unbekannten Kandidaten Jan-Philipp Büchler zu schärfen und ihn zu positionieren, arbeitete er drei Hauptgründe heraus, wieso die strategische Chance nicht genutzt werden konnte, Büchler als Gegenposition zum Amtsinhaber darzustellen. Zum einen habe das an der Corona-Krise gelegen, die es Büchler erschwert habe, sich im Vergleich zu dem bekannten Reiner Breuer vorzustellen. „Der Rückzug ins Digitale hat die Kommunikation erschwert“, sagte Schroiff. Zudem habe es zu viele Themen in zu kurzer Zeit gegeben, die Konzentration auf drei bis vier Kardinalthemen wäre besser gewesen. Seiner Meinung nach hat die Neusser CDU außerdem einen Wahlkampf mit, aber nicht für Jan-Philipp Büchler geführt.

Für Journalist Ludger Baten, und da war er sich mit Guido Hitze einig, lag die Schlappe nicht am CDU-Kandidaten. „Jan-Philipp Büchler ist überzeugend und sympathisch rübergekommen.“ Vielmehr habe ein Jahr nicht gereicht, den neuen Kandidaten bekannt zu machen. Für Baten beginnt die Weichenstellung für die nächste Wahl schon jetzt. Deswegen empfiehlt er zum Beispiel, schon früh festzulegen, wer die Wahlkreise betreut und sich so als Kümmererfraktion zu positionieren: „Es geht nur über harte Sacharbeit.“ Zudem nannte er Büchler einen denkbaren Kandidaten für die nächste Wahl, weshalb sich die Partie zeitig über seine Rolle Gedanken machen müsse. „Dann sollte er Amt und Mandat bekommen, damit er für die Partei sprechen kann“, sagte Baten, der im Wahlkampf auch die Rolle der CDU-Vereinigungen wie etwa Junge Union und Frauen Union hinterfragte. Nur die Mittelstandsvereinigung (MIT) sei „sehr fleißig gewesen“.

Die Analysen der Referenten wurden hinterher teils noch kontrovers diskutiert, das letzte Wort gehörte aber Jan-Philipp Büchler, der sich zu seiner Zukunft äußerte. Er meinte, dass nach dem anstrengenden Wahlkampf jetzt erst einmal Familie und Beruf im Mittelpunkt stünden. In zweieinhalb Jahren sehe das aber vielleicht wieder anders aus.

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