Heilig Geist Kirche in Neuss Bunte Bilderwelten hinter der Kirchentür

Neuss · In Neuss gibt es unter all den Sehenswürdigkeiten auch einige Geheimtipps: Für die einen sind es noch verborgene Kulturperlen, die einen Besuch lohnen. Da wäre zum Beispiel die Heilig-Geist-Kirche, deren Innenraum der Künstler Georg Ettl gestaltet hat. Ein Besuch.

 Jochen Goerdt (l.) hat als Kirchenvorstand die Entstehung des Kunstwerks mitbekommen, Hans Dieter Feuerlein (r.) hat sich mit der Gestaltung auseinandergesetzt und bietet nun Führungen an.

Jochen Goerdt (l.) hat als Kirchenvorstand die Entstehung des Kunstwerks mitbekommen, Hans Dieter Feuerlein (r.) hat sich mit der Gestaltung auseinandergesetzt und bietet nun Führungen an.

Foto: Melanie Zanin (MZ)

Was für eine Farbenpracht, mag so manch einem staunend durch den Kopf gehen, wenn er die Heilig-Geist-Kirche an der Neusser Wehye zum ersten Mal betritt. Immerhin hat man soeben das Paradies durchquert: Genau das stellt der 2014 in Viersen verstorbene Künstler Georg Ettl gleich über dem rechten Kircheneingang mit seien Figuren dar: Ein grüner Garten mit exotischen Pflanzen, Tieren und Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe.

Das eigentliche Staunen wird jedoch durch den ersten Eindruck ausgelöst: Alle Wände des Kirchenraums, ja sogar die Kuppel über dem Altar, hat Ettl mit modernen Malereien in Pastellfarben überzogen: In seinen figürlichen Darstellungen sind biblische Szenen oder weltliche Motive zu entdecken. „Es ist ein Gesamtkunstwerk“, sagt Joch Goerdt, der als Mitglied des Kirchenvorstandes den Gestaltungsprozess miterlebt hat. Denn nachdem die Kirche wegen Baumängel in den Jahren 1987 bis 1988 umgebaut wurde und einen Glockenturm erhielt, wurde 1991 die Neugestaltung des Innenraums veranlasst.

Sieben Jahre, von 1992 bis 1999, arbeitete Ettl, der in Bayern aufgewachsen ist und dort allerhand Eindrücke von barocken Bilderwelten in Kirchen, Schlössern und von Lüftmalereien an Häusern gesammelt haben dürfte, schließlich an der Heilig-Geist-Kirche in Neuss und kleidete sie in ein zeitgenössisches Gewand, fernab von pompösen goldenen Verzierungen oder Engel-Putten. „Er hat nichts dem Zufall überlassen und hat so sogar die Fenster ausgetauscht“, erinnert sich Goerdt und deutet auf die ehemals hellen Scheiben, die seit Ettl ebenfalls in Pastellfarben schimmern und dem einfallenden Licht eine neue Wirkung geben.

Wer nun die Augen durch den sakralen Raum schweifen lässt, wird einige von Georg Ettls Bilderwelten aufnehmen und gleich erkennen. Auf der Rückwand ist die Apokalypse dargestellt, Tod und Teufel, Flammen und Schwert haben dafür die Orgel in Beschlag genommen, ein Engel bläst als Warnung die Posaune, einige Menschen stehen bereits bis zum Hals im Wasser, ein Lamm symbolisiert Jesus. Gleich daneben wird der Tanz um das Goldene Kalb figürlich dargestellt.

Wer den ein oder anderen Anstoß braucht, um alle Symbole entschlüsseln zu können, der kann an einer Führung von Hans-Dieter Feuerlein teilnehmen, der einiges über die Malereien zu erzählen weiß. Beachtlich seien so etwa auch die Seitenwände, die sich in drei Ebenen einteilen lassen: So sind an einer etwa in den oberen beiden Abschnitten einzelne Erzählungen aus dem Alten Testament in serieller Darstellung aufgemalt, während darunter die zeitgenössischen Auswirkungen mahnend sichtbar werden: Die Zerstörung der Schöpfung ist dort durch Maschinen zu sehen, Sklaverei oder auch die Atombombe.

An der gegenüberliegenden Wand wurden Teile des Neuen Testaments verbildlicht, darunter symbolisieren mehrerer Fernseher die Verherrlichung von Gewalt, ein weiteres Bild zeigt Intoleranz oder auch die Schere zwischen Arm und Reich. Der Altarraum ist dagegen vom Heiligen Geist erfüllt, darunter das Haus Gottes, das im Zeichen der Bergpredigt steht. Um einen gedeckten Tisch haben sich verschiedene Menschen versammelt, weitere reisen an oder warten auf Einlass. Wer seinen Blick nach oben in die Kuppel wandern lässt, blickt in einen eindrucksvollen Sternenhimmel.

Beim Besuch der Kirche sollte unbedingt auch ein Blick in die Taufkapelle geworfen werden: Rund um das Taufbecken sind an den Wänden Labyrinthe aus verschiedenen Kulturen angebracht: „Sie zeigen die schwierigen und verschlungenen Wege hin zu einem sinnerfüllten Leben“, erklärt Goerdt. Aus dem Labyrinth heraus helfe der Ariadne-Faden, der symbolisch auch den Osterleuchter umschließt.

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