Herr Bürgermeister, der Etat für das Jahr 2019 hat im Rat eine große Mehrheit gefunden, doch keine Fraktion hat aus voller Überzeugung zugestimmt. Sie aber sprechen auf Facebook von einer überwältigenden Mehrheit für „meinen Haushalt“.
Reiner Breuer spricht über seine Pläne für Neuss „Wohnungsbau bleibt mein Kernanliegen“
Der Bürgermeister über seine Vision für den Hansetag 2022, die künftige Krankenhauslandschaft und das Projekt Landesgartenschau.
Reiner Breuer Den ich in der Tat eingebracht habe und den ich auch ausführen werde. Aber es gibt immer mehrere Väter und Mütter eines Haushaltes – mich eingeschlossen. Und ich bin froh, dass der Haushalt eine so breite Zustimmung gefunden hat, denn er ist solide Grundlage unseres Handelns im nächsten Jahr.
Trotzdem ist die Wortwahl ungewöhnlich. Was macht Sie denn so stolz?
Breuer Der Entwurf der Verwaltung ist im Wesentlichen unverändert geblieben, trotz des großen Gezeters zum Beispiel um vermeintlichen Stellenzuwachs. Der wurde kritisiert, im Ergebnis aber einstimmig gebilligt. Ich bin stolz darauf, dass wir mit dem Etat wesentliche Investitionen für die Zukunft anschieben und sie auch sicherstellen. Für Schulen, für Kindertagesstätten, in die soziale Infrastruktur – die Liste ließe sich fortsetzen.
In der aktuellen Ausgabe von Neuss-Publik betonen Sie in Ihrem Grußwort, dass der Bau von bezahlbaren Wohnungen eines Ihrer wichtigsten Ziele in den kommenden Jahren bleibt. Ist das „Ihr“ Projekt, das Roland Sperling von den Linken in seiner Haushaltsrede so vermisst hat?
Breuer Ich schätze Herrn Sperling. Er versteht es, politisch zu pointieren und dabei auch Dinge wegzulassen. Er weiß, dass Wohnungsbau ein Kernanliegen von mir ist – aber auch des Rates. Es gibt mit großer Mehrheit gefasste Beschlüsse, dass wir den sozialen Wohnungsbau verstärkt voranbringen wollen. Das wird umgesetzt, wie schon jetzt zu sehen ist – auf dem Gelände des Alexianer-Krankenhauses oder der Sauerkrautfabrik. Für mich ist das ein Kernprojekt, ja.
Ist es auch das Projekt, mit dem auch in der Rückschau Ihr Name verknüpft werden soll, oder haben Sie diesen Ehrgeiz gar nicht?
Breuer Es ist toll, wenn man mit guten Projekten namentlich in Verbindung gebracht wird. Aber das ist nicht meine Ausgangsposition. Ich bin durch Wählervotum berufen, die Stadt voranzubringen, und der dringend benötigte Wohnraum gehört dazu. Es ist auch keine leichte Aufgabe, in fünf Jahren 1000 neue Wohnungen zu schaffen, sondern im Gegenteil sehr anspruchsvoll.
Dass Sie den dazu nötigen Paradigmenwechsel beim Neusser Bauverein nicht nur vorangetrieben, sondern durchgesetzt haben, werden auch Ihre Kritiker neidlos anerkennen.
Breuer Der Bauverein konzentriert sich wieder auf sein Kerngeschäft und hat da auch ein Jahrhundertprojekt vor der Brust.
Die Krankenhaus-Fusion hätte ein Thema sein können, mit dem Ihr Name in Verbindung gebracht wird. Als Beobachter hat man aber eher den Eindruck, Ihre Rolle ist nicht die des Architekten, sondern beschränkt sich im Wesentlichen darauf, Schaden vom Lukaskrankenhaus abzuwenden. Müssten Sie nicht viel stärker führen?
Breuer Nein, der Handlungsdruck besteht ja nicht so sehr bei der Stadt. Der Landrat hat da ein Problem, er muss die Krankenhäuser des Kreises wieder fit machen. Nichtsdestotrotz habe ich erkannt, dass es strategisch sinnvoll ist, die kommunale Krankenhauslandschaft in Stadt und Kreis insgesamt zu sichern. Deswegen ist das Thema Krankenhausfusion auch nicht hinten angestellt. Ich melde mich rechtzeitig zu Wort und habe das auch schon getan. Nicht immer auf dem Marktplatz der Öffentlichkeit – aber wenn es sein muss auch dort.
Wo stehen wir denn aktuell?
Breuer Wir sind immer noch in der Analysephase. Es geht darum, das wirtschaftliche Gleichgewicht herbeizuführen, das nicht vorhanden ist. Es gibt ein erkennbares Ungleichgewicht zwischen „Lukas“ und Kreiskrankenhäusern, da muss der Landrat noch mal Plateauschuhe anziehen, um auf Augenhöhe zu kommen. In der Zielsetzung aber bin ich mit dem Landrat einig. Wir wollen beide die Fusion – aber nicht um jeden Preis.
Helga Koenemann von der CDU hat sich eindeutig pro Fusion geäußert und festgelegt. Ist die Fusion alternativlos?
Breuer Es gibt andere Modelle, die wir auch mit in den Blick genommen haben. Die Fusion scheint aber das beste Modell zu sein. Die Wegstrecke, die wir noch zu gehen haben, ist aber noch weit. Ich bin aber optimistisch und zaudere nicht.
Man versteht, dass ein Thema wie diese Fusion nicht auf dem Marktplatz verhandelt wird. Aber manche Themen müssten viel öffentlicher diskutiert werden. Gerade von Ihnen. Nehmen wir das Beispiel Hansetag 2022. Sie sprechen von einer Chance, die man ergreifen muss – und die Politik bremst gleich ein mit Blick auf die Kosten in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Kein blendender Start für dieses Projekt.
Breuer Der Rat hat diese Chance ja ergriffen. Es gibt einen einstimmigen Beschluss, dass der Hansetag 2022 in Neuss zu Gast ist. Mit dem Beschluss bin ich hochzufrieden, denn mir war auch klar, dass es noch Fragen zum Konzept und zur Finanzierung geben wird. Ich werde den Rat deshalb eng einbinden, und wir werden den Hansetag gemeinsam zu einem Erfolg machen.
Aber mit welcher Vision? Wie soll sich die Stadt präsentieren?
Breuer Nach innen möchte ich den Hansegedanken schärfen. Die wenigsten Neusser werden wissen, was Hanse bedeutet und wofür sie steht. Der Welt möchte ich Neuss als traditionsbewusste aber auch moderne Stadt präsentieren. Da wird uns sicher einiges einfallen.
Geht es etwas genauer?
Breuer Ich bin der festen Überzeugung, dass wir das Thema „Neuss am Rhein“ über alles stellen sollten. Wir haben auch da viel zu zeigen. Hafen und Stadtkante müssen wir besonders in die weiteren Planungen einbeziehen. Ich wäre sehr froh, wenn wir bis 2022 auch eine Anlegestelle am Hafenbecken I bauen, wo auch Schiffe der Weißen Flotte festmachen.
Das wurde schon einmal versucht. Ich dachte, das Thema wäre tot.
Breuer Im Gegenteil. Wir stellen konkrete Überlegungen an, hinter dem UCI einen Anleger zu installieren. Die Gespräche laufen.
Hafen und Stadtkante – da ist man auch schnell bei Wendersplatz, Rennbahn und Kirmesplatz, die direkt angrenzen.
Breuer Städtebaulich muss man da in der Tat weiter denken. Der Wendersplatz steht im Fokus auch wegen seiner Scharnierfunktion zur Rennbahn. Und im übrigen floss da mal der Rhein unterhalb der Stadtmauern vorbei. Warum soll man nicht darüber nachdenken, ihn wieder zum Teil erlebbar zu machen? Vielleicht schaffen wir das ja auch bis 2022.
Der Wendersplatz ist nicht nur Brücke zur Rennbahn, sondern – in deren Verlängerung – auch zu den großen Neubaugebieten der Zukunft. Über Verklammerung wurde schon oft gesprochen, wann wird denn endlich „geklammert“?
Breuer Ich klammere gar nicht. Wendersplatz und Rennbahn gehen wir 2019 konkret an. Im Haushaltsplan ist Geld für einen städtebaulichen Wettbewerb verankert. Erste Ideen gibt es schon, auch für die Rennbahn – mit und ohne Pferdchen.
Spielt das Thema Landesgartenschau dabei auch eine Rolle?
Breuer In der Tat. Und ich erhoffe mir in diesem Zusammenhang aus einem Wettbewerb unter Studenten auch Visionen für eine – auch ökologische – Aufwertung der Rennbahn.
Vielleicht wird das „Ihr“ Projekt?
Breuer Ich bin da nicht so eitel, wie Sie anscheinend glauben. Und dann habe ich ja auch noch ein paar Jahre Zeit.
Aber bleiben wir doch bei Visionen: Wenn Sie – ohne gleich an Machbarkeit, Geld oder die Politik denken zu müssen – gestalten könnten: Was wäre dann Ihr Lieblingsprojekt?
Breuer Bei einem Glas Rotwein würde ich darüber sinnieren und hätte Spaß daran, die Stadt wieder ans Wasser zu führen und das Hafenbecken I über den Wendersplatz zu verlängern. Wasser ist ein belebendes Element, und die Neusser identifizieren sich mit dem Rhein und als Rheinländer. Ich finde es wichtig, dass man solche Identifikationspunkte schafft.
Und ich dachte schon, Sie sagen: die Kreisfreiheit.
Breuer Daran sind schon zu viele gescheitert.