Medienlandschaft im Rhein-Kreis Neuss Buch dokumentiert die Geschichte der NGZ

Neuss · Die Neuß-Grevenbroicher Zeitung, gegründet 1873, steht für ein vitales Kapitel der Geschichte von Stadt und Rhein-Kreis Neuss. Historikerin Annekatrin Schaller hat die Entwicklung der Zeitung von ihren Anfängen bis in die Gegenwart erforscht und dokumentiert.

Eberhard Hücker, Hermann-Josef Kallen, Annekatrin Schaller, J.-Andreas Werhahn, Wilhelm Werhahn und Brigitta Siedschlag (v. l.) präsentierten das Buch über GfB und NGZ in der Neusser Bürgergesellschaft.

Eberhard Hücker, Hermann-Josef Kallen, Annekatrin Schaller, J.-Andreas Werhahn, Wilhelm Werhahn und Brigitta Siedschlag (v. l.) präsentierten das Buch über GfB und NGZ in der Neusser Bürgergesellschaft.

Foto: Andreas Woitschützke

Eine Zeitung von (Kreis-)Neussern über (Kreis-)Neusser für (Kreis-)Neusser. So lange wie nur wenige Lokalzeitungen in Deutschland, recherchiert, notiert und kommentiert die Neuß-Grevenbroicher Zeitung die freudigen und schmerzhaften Ereignisse in Stadt und Landschaft Neuss. 135 Jahre tat sie das publizistisch eigenständig in Regie ihres Gründungsverlages, der Gesellschaft für Buchdruckerei (GfB). In jenen mehr als dreizehn Jahrzehnten entwickelten viele Leser eine emotionale Beziehung zu „der Zeitung“.

Generationen junger Menschen besserten ihr Taschengeld auf, in dem sie nachts in der Versandhalle des Pressehauses an der Moselstraße Werbebeilagen per Hand in die Zeitungen einlegten. Zuvor schon führte für viele der Heimweg nach einem Fest in der „alten Bürger“ an der Rotation vorbei, um aus der druckfrischen NGZ noch vor dem Schlafengehen zu erfahren, „was morgen in der Zeitung steht“. Damals lebten die Neusser Bürgergesellschaft und die Zeitung ihre geistige Nachbarschaft auch in räumlicher Nähe an der Niederstraße – Gesellschaftshaus sowie Verlags- und Druckhaus standen dort, wo heute der Kaufhof Kunden anspricht.

Die Geschichte der GfB und damit der Neuß-Grevenbroicher Zeitung dokumentiert ein neues Buch, das Ende April vorliegen wird. Für Hermann-Josef Kallen, den Vorsitzenden des GfB-Aufsichtsrates, waren die Zeitungsmacher nicht nur Chronisten der Ereignisse, sondern auch Lebenslotsen: Sie vermittelten „den Lesern in politischer und gesellschaftlicher Hinsicht Orientierung am christlichen Menschenbild“; die NGZ sei den Menschen „besonders in schweren Zeiten ein Stück Heimat“ geworden.

135 Jahre gehörten GfB und NGZ zusammen. Nun sind Herausgeber und Berichterstatter selbst Gegenstand einer wissenschaftlichen Arbeit geworden. Die Historikerin Annekatrin Schaller stellt nach dreijähriger Arbeit ihr Buch vor, das auf 263 Seiten die Geschichte der 1873 gegründeten Gesellschaft für Buchdruckerei (GfB) beschreibt, die als Verlag bis 2009 hinter der Neuß-Grevenbroicher Zeitung stand. Heute erscheint der Titel Neuß-Grevenbroicher Zeitung im Rhein-Kreis Neuss unter dem Dach der Rheinische Post Mediengruppe.

Warum ließen Vorstand und Aufsichtsrat der GfB die Verlags- und Zeitungsgeschichte aufschreiben? Für Kallen und seine Mitstreiter ist klar, dass die NGZ und ihre Wurzeln nicht einfach aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden dürfen. Er sagt: „Die Geschichte von Stadt und Kreis im Zeitraum 1873 bis heute spiegelt sich in der Geschichte von GfB und NGZ wieder.“

Das Rheinland, so auch Neuss, war Mitte des 19. Jahrhunderts preußisch. „Preußischer Protestantismus und rheinischer Katholizismus verkörperten zwei grundverschiedene Lebenswelten“, beschreibt Schaller die Situation. In Neuss versammelten sich um den Kaufmann Joseph Broix Weggefährten, die sich rheinisch-katholisch geprägt, dem christlichen Menschenbild verpflichtet fühlten. Sie gründeten 1861 die Bürgergesellschaft als „ideelle Keimzelle“, aus der sich zwei weitere kräftige Zweige entwickelten: die Rheinland Versicherung (1880) für den Bereich Wirtschaft und bereits 1873 eben die Gesellschaft für Buchdruckerei (GfB) / Neuß-Grevenbroicher Zeitung (NGZ) für die Kommunikation.

Die Darstellung des Weges von GfB und NGZ wird zu einer Beschreibung der Schnittmenge, in der sich „Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte mit Zeitungs- und Journalismusgeschichte, Medien- und Technikgeschichte, deutscher und lokale Geschichte“ treffen (Schaller). So beschränkte sich die NGZ nie darauf, Bote der bloßen Nachricht zu sein. Das „Pressehaus“ mischte sich ein, setzte Themen, hatte eine Meinung. Verbote und Zensur trafen die Zeitung, die dennoch – oder gerade deshalb – ihre ideellen Grundwerte wahrte.

Das Buch erscheint zu einem Jubiläum, das viel über das Selbstverständnis von GfB und NGZ verrät. 1946, vor 75 Jahren, wurde Alfons Frings zum Neusser Oberbürgermeister (bis 1961) gewählt – er stand an der Spitze der GfB und damit der Zeitung. Ab 1950 beförderte die Partnerschaft mit der Rheinischen Post die dynamische Entwicklung.

Über den Eigentümerwechsel 2009, in einer Zeit, die von der digitalen Transformation der Medien bestimmt war, sagt Kallen: „Seit Ende der 1990er Jahre konnte man im deutschen Pressemarkt einen stetigen Rückgang der Werbeeinnahmen und Auflagenhöhen verzeichnen. Die Aktionäre der GfB entschlossen sich, die NGZ in die Hände der größeren Rheinischen Post zu legen, was im Angesicht der langen Geschichte nicht leicht war, sich aber für die beteiligten Parteien als richtig erwies.“

Mit dem Verkauf endet nach 135 Jahren das Kapitel der NGZ, die von der GfB als Zeitung für Neuss und den Rhein-Kreis verlegt worden war. Mit dem Verkauf endet nicht die Geschichte der NGZ, die auch heute noch von vielen Lesern, Abonnenten und Mitarbeitern liebevoll als „ihre Zeitung“ angesehen wird.

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