Autorin aus Neuss Bloggerin geht in Kochbüchern auf Spurensuche

Neuss · Ana Romas ist in Kasachstan aufgewachsen und kam als Jugendliche nach Neuss. Sie betreibt den Instagram-Kanal „russischraclette“. Über das Kochen setzt sie sich mit ihren Wurzeln auseinander.

 Während des zweiten Lockdowns hat Ana Romas angefangen, ihre gekochten Gerichte auf Instagram zu veröffentlichen. Im Laufe der Zeit ist ihr Account „russischraclette“ immer weiter gewachsen und längst mehr als nur eine Rezeptesammlung.

Während des zweiten Lockdowns hat Ana Romas angefangen, ihre gekochten Gerichte auf Instagram zu veröffentlichen. Im Laufe der Zeit ist ihr Account „russischraclette“ immer weiter gewachsen und längst mehr als nur eine Rezeptesammlung.

Foto: Charlene Engelberg

Es ist ein süßer und schwerer Geruch, der Ana Romas zurück in ihre Kindheit bringt. Zu größeren Feiern und Geburtstagen duftete es nämlich im ganzen Haus, ja sogar auf der Straße nach Medovnik, einer russischen Honigtorte, die für ihre lange Zubereitungszeit bekannt ist. „Dabei mochte ich als Kind Honig nicht einmal sehr, aber die Tradition und das heillose Durcheinander in der Küche, wenn Feste vorbereitet wurden“, erzählt die 33-Jährige auf ihrem Instagram-Account.

Als „russischraclette“ veröffentlicht sie dort regelmäßig Rezepte aus aller Welt, viele davon stammen aus der osteuropäischen oder zentralasiatischen Küche. In kurzen Videos, Bildern und kleinen Texten erzählt die 33-Jährige beispielsweise, wie Wareniki, polnische Gurkensuppe oder auch Pampushki, das sind Hefebrötchen, die typisch für die ukrainische Küche sind, gemacht werden. Mit Erfolg: Rund 26.000 Nutzer folgen ihrem Profil, Tendenz steigend. „Geplant habe ich das alles nicht“, sagt Ana und lacht. Vielmehr habe sie die Pandemie-Zeit genutzt, um ihre selbstgekochten Gerichte in ihrer Insta-Story zu teilen. „Das ist dann nach und nach gewachsen“, erzählt Ana.

Vegetarische osteuropäische Rezepte auf 192 Seiten.

Vegetarische osteuropäische Rezepte auf 192 Seiten.

Foto: Ana Romas

Teil des Erfolgsrezepts dürften dabei auch die Geschichten und Informationen hinter den Gerichten sein. Denn bei so mancher Zubereitung setzt Ana sich auch mit ihren eigenen Wurzeln auseinander: Aufgewachsen ist sie in einem kleinen kasachischen Dorf am Ufer des Flusses Irtysh. Das war Anfang der 1990er Jahre, kurz nach dem Zerfall der Sowejtunion: Kochen war in dem Selbstversorgerhaushalt eine Notwendigkeit. Mit elf Jahren zog Anas Familie nach Deutschland und wurde schließlich in Neuss sesshaft. „In meiner Schul- und Unizeit habe ich mich sehr assimiliert“, erzählt die 33-Jährige. Erst später habe sie sich wieder mit ihren Wurzeln auseinandergesetzt. Ein großer Identitätsmarker sei dabei die Küche: Ana begann, die Rezepte ihrer Mutter nachzukochen und weiter über die Ursprünge der Gerichte zu forschen. Eine genaue Lokalisation sei dabei schwierig: Immerhin gebe es in der Küche der ehemaligen Sowjetunion viele verschiedene Einflüsse. Einmal mit der Recherche angefangen, verstrickte Ana, die ohnehin geschichtsinteressiert ist, immer weiter in der Historie. Und von ihren Erkenntnissen berichtet sie auch ihren Followern in kleinen, verständlichen „Häppchen.“ So heißt es bei einem Dessert etwa, dass es „Tchak Tchak“ heißt und aus der tatarischen Küche stammt, während das russische Reisgericht „Plov“ wohl aus Usbekistan kommt, die es wiederum aus dem Iran haben. Gegessen werde es aber in ganz Zentralasien. Das Wissen lasse das Essen gleich noch einmal anders schmecken: „Man bekommt mehr Bezug zu einem Gericht und isst es gleich viel andächtiger, wenn man weiß, dass es schon vor fast 2000 Jahren gegessen wurde“, sagt Ana.

Es ist längst nicht mehr nur ihre Geschichte, die sie auf ihrem Account erzählt. Andere Nutzer schicken ihr per Sprachnachricht Rezeptvorschläge und berichten darin, welchen Bezug sie zu einem Gericht haben: Zum Beispiel, dass es sie an ihre Großeltern erinnert oder dass sie eine ähnliche Migrationsgeschichte haben. „Ich finde den Austausch toll und nicht selbstverständlich“, sagt Ana.

Auf ihrem Account serviert die Neusserin eine klassische Torte aus der Sowjetunion. „Grafskie Razvalini“; auf Deutsch: Grafschaftliche Ruinen. Dazu gibt es einen historischen Exkurs über die Gründung der UdSSR.

Auf ihrem Account serviert die Neusserin eine klassische Torte aus der Sowjetunion. „Grafskie Razvalini“; auf Deutsch: Grafschaftliche Ruinen. Dazu gibt es einen historischen Exkurs über die Gründung der UdSSR.

Foto: Ana Romas

Ende 2021 sei dann der Christian-Verlag auf sie zukommen und habe sie gefragt, ob sie nicht Lust hätte, ein Kochbuch zu schreiben: „Ich habe mich sehr gefreut, von alleine wäre ich nicht auf die Idee gekommen“, sagt sie. Es stecke viel Arbeit in dem Buch, das beginne schon bei der Aufgabe, wie sich jene Küche am besten eingrenzen lässt. Das Buch soll sich an ein gemischtes Publikum richten, also an solche, die schon eigene Erfahrungen jenen Gerichten haben, aber auch für diejenigen geeignet sein, die vorher noch nie etwas damit zu tun hatten. „Ich möchte einen guten Querschnitt bieten“, sagt Ana. Und da sie selbst vegetarisch lebt, möchte sie mit dem Vorurteil aufräumen, dass die osteuropäische Küche sehr fleischlastig ist. Manches bietet sie traditionell, anders in abgewandelter Form an.

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