An der Bahnhofstraße in Neuss Alte Fabrik bei Straßenbau entdeckt

Holzheim · Mitarbeiter der Stadtwerke sind bei Arbeiten in Holzheim unfreiwillig zu „Archäologen“ geworden.

 Der Endausbau im Jahr 1938 war gleichzeitig auch das Ende der Fabrik. Da Maschinenteile nicht rechtzeitig geliefert wurden, verfaulten hunderttausende Zentner Rüben.

Der Endausbau im Jahr 1938 war gleichzeitig auch das Ende der Fabrik. Da Maschinenteile nicht rechtzeitig geliefert wurden, verfaulten hunderttausende Zentner Rüben.

Foto: Simon Janßen

In seltenen Fällen hat der Job des Neusser Feuerwehrmanns tatsächlich archäologischen Charakter. Wie Ende der 80er Jahre, als bei der letzten großen Sanierung des Quirinus-Münster ein römischer Sarkophag transportiert werden musste. Manchmal betreten die Einsatzkräfte aber auch Räume, die Jahrzehnte lang verschlossen waren. So war es jetzt in Holzheim.

Dort stießen Tiefbauer der Neusser Stadtwerke bei Gaserschließungsarbeiten plötzlich auf unbekannte, unterirdische Kellerräume. In einer Grabensohle entdeckte ein Arbeiter eine Art Mauergewölbe, riss einen Teil mit der Baggerschaufel ein – und plötzlich tat sich ein großes Loch auf. Später stellte sich heraus, dass es sich um zwei längst vergessene Keller-Räume handelt.

 Ein Feuerwehrmann steigt in den freigelegten Kellerraum.

Ein Feuerwehrmann steigt in den freigelegten Kellerraum.

Foto: Stadtwerke Neuss

„Wir stimmen unsere Rohrleitungstrassen mit der Stadt ab. Und wenn sie wissen, dass es Hindernisse für unsere Arbeit geben könnte, dann kriegen wir Hinweise. Diese Räume waren aber gänzlich unbekannt“, sagt Wolfgang Lenhart, technischer Leiter Stadtwerke Neuss. Die Räume sollen nun zubetoniert werden.

Aber sich selbst auf Erkundungstour in das mysteriöse schwarze Loch zu begeben, war zu riskant. Also mussten die Profis von der Feuerwehr ran, die überprüfen sollten, ob aus den Räumen Faulgase austreten, die brennbar oder giftig sind.

„Wir sind mit sechs Mann ausgerückt“, sagt der stellvertretende Stadtbrandmeister Markus Brüggen. Nach einer kleinen Vormessung stiegen zwei Feuerwehrleute in den rund drei Meter tiefen Schacht. Dort entdeckten sie zwei Räume, die gefüllt waren mit Schutt und Erdmaterial. Verrostete Scharniere wiesen darauf hin, dass es dort in der Vergangenheit Türen gegeben haben muss. „Die Räumlichkeiten könnten früher gut zwei Meter Höhe gehabt haben, eine Art Fußboden war nicht mehr zu erkennen“, sagt Brüggen. Die gute Nachricht: Das Messgerät schlug nicht an. Jedoch betont Brüggen: „Normalerweise werden solche Räume aufgefüllt. Das ist keine verantwortungsvolle Bautechnik.“

 Saisonbedingt wurden bis zu 100 Mitarbeiter beschäftigt.

Saisonbedingt wurden bis zu 100 Mitarbeiter beschäftigt.

Foto: Simon Janßen

Aber um was für eine Fabrik handelt es sich, deren Räume jetzt entdeckt wurden? Ein Blick in das Festbuch zur 1200-Jahrfeier von Neuss-Holzheim liefert die Antwort. Demnach handelt es sich um die Obst-Gelée-, Marmeladen- und Zuckerrübenkraut-Fabrik „Niesen & Hussmann“, die im Jahr 1890 entstanden war. Die Häuser bis zum Rathaus standen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, sodass die beiden Gründer mit ihren Familien bis in die Jahre 1907 beziehungsweise 1917 im Haupthaus der Fabrik wohnten, das als Bürogebäude und Wiegehaus für die Rüben diente. In diesem Haus befindet sich nun ein Brauereiausschank von Frankenheim. Johann Heinrich Dorsemagen, der Mitherausgeber der Festschrift, erinnert sich: „Wir haben die Fabrik früher scherzhaft ,Kruckpaasch’ genannt – das bedeutet so viel wie Krautpresse“, sagt der Holzheimer schmunzelnd.

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