Premiere im RLT Neuss Shakespeare leicht gekürzt und schnell gespielt

Neuss · Alexander Marusch setzt vor allem auf Tempo bei seiner Inszenierung von „Was ihr wollt“ im Landestheater.

 Fehlen nur noch die Sprechblasen „schmacht“ und „seufz“: Viola (Kathrin Berg) erblickt zum ersten Mal Orsino (Pablo Guaneme Pinilla).

Fehlen nur noch die Sprechblasen „schmacht“ und „seufz“: Viola (Kathrin Berg) erblickt zum ersten Mal Orsino (Pablo Guaneme Pinilla).

Foto: Björn Hickmann

Wie ist das nur möglich? Kaum erblickt Viola den Grafen Orsino, sind alle Qualen – über den totgeglaubten Bruder, über die eigene Rettung aus heftiger Seenot – vergessen. Viola schmachtet und himmelt diesen Mann an, scheint völlig zu ignorieren, dass der ziemlich arrogant über seine Liebe zu einer anderen lamentiert und sie gar nicht wahrnimmt. Aber wo die Liebe eben hinfällt...

Mit Logik kann man Shakespeare ohnehin nicht beikommen, und so versucht Regisseur Alexander Marusch gar nicht erst, irgendeinen Strang der Komödie „Was ihr wollt“ richtig ernst zu nehmen. Er sieht vor allem in jeder Szene und in jeder Figur die große Komik, hat das ganze Stück klug eingestrichen und liefert dadurch mit seiner Inszenierung im RLT zwei vergnügliche Stunden. Und ganz nebenbei unterstreicht er damit eine alte Theaterweisheit: Shakespeare verkraftet (fast) alles. „Was ihr wollt“ gehört zu den Paradekomödien des Elisabethaners, sie hat deftige Rollen, sehr viel (und sehr schnellen) Wortwitz, erzählt von den Unmöglichkeiten der Liebe, präsentiert diese in kunstvoll verschlungenen Knoten, die schließlich entwirrt zu einem Happy End führen. Irgendwie.

14 namentlich aufgeführte Figuren sind es im Original, die das Stück vorantreiben, vier hat Marusch gestrichen und manche Szene stark gekürzt. Geschadet hat es nicht, dem Tempo wohl genützt. Ohnehin zeigt die Regie mehr Interesse an den Typen, die die Figuren verkörpern, als dass sie Menschen darin entdeckt. Und weil Marusch das sehr konsequent durchhält, das Ensemble wunderbar (mit)spielt, funktioniert sein Zugriff.

Eine Identifikationsfigur gibt es trotzdem: den Narren. Wie er schaut man ein wenig fassungslos auf das Treiben an den beiden herrschaftlichen Höfen, seine trockenen Kommentare streut er wie kleine Perlen auf den Weg durch dieses Gefühlschaos, das in erster Linie von einer Frage getrieben zu sein scheint: Wie bekomme ich Frau/Mann ins Bett? Deftig geht es zu, wenn erst mal alle Schranken gefallen sind – was zum Shakespeare von Übersetzer Thomas Brasch passt.

Die Besetzung der Rollen ist nahezu perfekt. Emilia Haag ist der Narr, der auch ein bisschen an Puck aus dem „Sommernachtstraum“ erinnert. Kathrin Berg ist eine ungestüme Viola/Cesario, Johanna Freyja Sembritzki-Iacono eine anfangs steife, dann sehr sinnliche Olivia. Pablo Guaneme Pinilla bleibt ein arroganter Orsino. Hubertus Brandt ist ein selbstverliebter Malvolio, Linda Riebau eine durchtriebene, sympathische Maria, Stefan Schleue (auch mit Kniebeschwerden) ein wendiger Sir Toby, Peter Waros ein sich selbst überschätzender Sir Andrew, Richard Lingscheidt ein viriler Sebastian und Josia Krug ein willfähriger Fabian.

Ausstatterin Alide Büld hat Kostüme kreiert, die äußerlich der Interpretation der jeweiligen Figur kongenial entsprechen. Die Musik von Christian Kuzio und das an das Globe erinnernde Bühnenbild von Achim Naumann d’Alnoncourt, der auch für die Videos verantwortlich ist, machen die Inszenierung rund.

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