Neuss Neue Gräber aus der Römerzeit

Neuss · Auf einem Baugrundstück an der Promenadenstraße entdeckten die Archäologen Brandgräber aus dem ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhundert. Es belegt, dass die erste Siedlung von einem Gräberkreis gesäumt war.

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Kurz vor Feierabend war Hermann Loosen am Montagabend in der Römerzeit angekommen. 2,50 Meter unter dem heutigen Straßenniveau legte der Grabungsleiter und Archäologe an der Promenadenstraße ein Brandgrab frei, das seine Kollegin Sabine Sauer gestern auf das erste oder zweite nachchristliche Jahrhundert datierte. Ein Fund, der zwar nicht die Stadtgeschichte umkrempelt, aber neue Details aus ihren Anfängen belegt.

Das Grab, auf das Loosen da unerwartet gestoßen war, ist Teil eines Grabfeldes aus jener Zeit. So viel stand schon gestern fest, nachdem die Archäologen in rascher Aufeinanderfolge fünf Gräber freigelegt hatten. Weitere werden noch auf dem etwa 500 Quadratmeter großen Grundstück vermutet, auf dem bis zum vergangenen Jahr noch zwei Mehrfamilienhäuser standen.

Die Anlage dieses Gräberfeldes belegt für Sauer, was sie bisher nur vermutet hatte: Die Toten in der römischen Zivilsiedlung wurden nicht, wie es sonst römische Tradition war, entlang der Ausfallstraßen bestattet. Vielmehr umschloss die Siedlung ein Kreis von Gräbern, der von innen nach außen belegt wurde. Innen, das sind die jetzt frei gelegten Brandgräber, die sich nicht zuletzt dank einer blauen Glasflasche, die als Grabbeigabe gefunden wurden, eindeutig zeitlich bestimmen lassen. Zu den Gräbern im weiteren Umfeld gehört jener Sargschatten im Boden, der vor zehn Jahren bei Ausgrabungen unter dem benachbarten Telegrafenamt gefunden und dem vierten Jahrhundert zugeordnet wurde. Zu der Zeit wurden die Toten schon in Särgen beigesetzt und nicht — wie kurz nach der Zeitenwende — verbrannt.

Dass die Gräber gefunden wurden, wertet Sauer als Glücksfall. Denn schon in den 1960er Jahren wurde an der Promenadenstraße ausgeschachtet und gebaut. Dabei gruben sich die Bagger fast bis zum Niveau des römischen Gräberfeldes vor. Ein Indiz: Der von Loosen gefundene Aschekasten, ein aus Eifeler Tuff gehauener Behälter, der die Asche und die Grabbeigaben barg, war ohne Deckel. Der war wohl früher weggebaggert worden.

Bei den Toten, deren Asche die Archäologen sicherstellen konnten, handelt es sich nach Sauers Überzeugung nicht um Römer, sondern um Einheimische unterschiedlichen sozialen Standes. Dafür sprechen die gefundenen Bestattungstypen. Brandschüttgräber für einfache Leute, Aschekisten für sozial Bessergestellte. Welches Geschlecht die Toten hatten und in welchem Alter sie starben, könnten Experten auch anhand der Aschereste noch ermitteln. Vorausgesetzt, so Sauer, dass diese eine gewisse Größe nicht unterschreiten. Ob das gelingt, ist daher nicht sicher. Sicher ist nur: Ihre allerletzte Ruhe erhalten die sterblichen Überreste der Ur-Neusser im Magazin des Stadtarchivs in Norf.

(NGZ)
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