Neuss Netzpolitisches Manifest für die Piraten

Neuss · Der Landtagsabgeordnete Joachim Paul (Piraten) will die konzeptionelle Arbeit seiner Partei vorantreiben - unabhängig vom Wahlergebnis 2017. Zum Bundesparteitag legt er ein "Netzpolitisches Manifest für das Informationszeitalter" vor.

 Joachim Paul konzentriert sich auf die Themenarbeit - die Bühne für die große Polit-Show überlässt er lieber anderen.

Joachim Paul konzentriert sich auf die Themenarbeit - die Bühne für die große Polit-Show überlässt er lieber anderen.

Foto: A. Woitschützke

Das leise Klackern der Computertastatur aus dem Nebenzimmer wirkt fast schon komponiert. Joachim Paul sitzt in der Fraktionsgeschäftsstelle der Piraten in der Neusser Innenstadt, nebenan werden E-Mails in die Tastatur gehackt. Ein Soundtrack, der die passende Atmosphäre schafft. Paul beugt sich in seinem Stuhl vor und nimmt den Laptop auf den Schoß. Dann zeigt er ein Schriftstück, es trägt den Titel "Netzpolitisches Manifest für das Informationszeitalter". Ende des Monats möchte Joachim Paul es auf dem Bundesparteitag der Piraten einreichen - mit Antrag auf Aufnahme in den Kanon der Partei.

Das Manifest passt zu Joachim Paul. Der 58-Jährige hat ein Faible für konzeptionelle Arbeit. "Das ist meine Leidenschaft", sagt er. Natürlich weiß er, dass es für die Piraten mit Blick auf die NRW-Landtagswahl am 14. Mai 2017 schlecht aussieht. In aktuellen Umfragen liegt die Partei bei höchstens einem Prozent; es scheint, als würden die Piraten nach nur einer Legislaturperiode im Landtag wieder ausgeschifft. Der Düsseldorfer Hafen rückt dann wieder aus der Sichtweite - und gefragt ist konzeptionelle Arbeit. "Daran werde ich mitwirken", sagt Paul. Natürlich hat er den Wunsch, im Landtag zu verbleiben, nicht über Bord geworfen. Selbstverständlich würde es ihm gefallen, wenn die Piraten dort weiter ankern könnten. Schließlich hat er seine Begeisterung für die parlamentarische Arbeit entdeckt. Und, klar, er würde vieles gerne mit auf den Weg bringen. Aber er sagt auch: "Das Leben hat mehr Seiten als hauptberuflich Politiker zu sein."

Themenarbeit, das ist Joachim Pauls Ding - nicht die große Show, nicht das Schauspiel auf der politischen Bühne. Sein netzpolitisches Manifest ist durchaus spannend. Es geht um Fragen wie die Finanzierung der Sozialsysteme der Zukunft. "Wir sind von der Arbeits- auf dem Weg in die Tätigkeitsgesellschaft", sagt Paul. "Wenn in einer Roboter-Maschinenstraße nur noch drei statt vorher 300 Menschen arbeiten, dann stellt sich die Frage: Was machen die anderen 297?". Dazu brauche es Konzepte, und dafür möchte der Neusser Denkanstöße liefern. Um die Sozialsysteme am Laufen zu halten, müsse zum Beispiel über eine Automatisierungsdividende nachgedacht werden, eine Art Roboter-Steuer. "Kollege Roboter", sagt Joachim Paul gerne.

Dieser "Kollege Roboter" werde die Arbeitswelt immer weiter revolutionieren. "Viele in der Politik denken gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse immer noch von der Industriegesellschaft her", sagt Joachim Paul. "Aber das ist vorbei." Man befinde sich bereits mit den ersten Schritten im Informationszeitalter, das sei bei vielen noch nicht angekommen.

Wer mit Joachim Paul über die Entwicklung der digitalisierten Welt spricht, der fühlt sich durchaus an Yuval Noah Hararis Erfolgsbuch "Eine kurze Geschichte der Menschheit" erinnert. In seinem internationalen Bestseller gliedert der Historiker die Menschheitsgeschichte in vier wesentliche Scheidepunkte, die das Leben grundlegend veränderten: die kognitive Revolution (die Entwicklung der Sprache), die landwirtschaftliche Revolution (die das Zusammenleben größerer Gemeinschaften erst ermöglichte), die Vereinigung der Menschheit (durch grenzüberschreitende Kapital- und Warenströme sowie einigende Ideen wie Weltreiche und Religionen) bis hin zur wissenschaftlichen Revolution. Das Informationszeitalter schließt da an, im Hier und Jetzt. Man könnte auch sagen: Es handelt sich um die digitale Revolution.

Joachim Paul knüpft da mit seinem Manifest an. Der Piratenpartei werde er auf jeden Fall erhalten bleiben, sagt er. Egal, wie die Landtagswahl 2017 ausgehe. "Ich bin ein politischer Mensch, und das werde ich bleiben." Ob er noch einmal kandidiert, lässt er offen. Er könne in seinen alten Beruf beim Medienzentrum Rheinland zurück. "Das ist ein großer Luxus."

(NGZ)
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