Neuss Nach Bombenfund: Auf Streife in der Sperrzone

Neuss · Bevor eine Bombe entschärft wird, sorgt der Kommunale Servicedienst der Stadt für Sicherheit. Einige Anwohner stellen sich quer.

 Während Uwe Palmroth die Bombe entschärfte, waren die Straßen rund um den Fundort abgesperrt.

Während Uwe Palmroth die Bombe entschärfte, waren die Straßen rund um den Fundort abgesperrt.

Foto: A. Woitschützke

Der Motor sagt keinen Mucks. Kurz bevor sich Michael Kraus und Andreas Schneider zu einer letzten Kontrollfahrt in die Sperrzone rund um die Fliegerbombe auf der Furth aufmachen wollen, streikt ihr Wagen. Ausgerechnet. Doch es bleibt die einzige Panne an diesem Vormittag, der um 10.50 Uhr mit einem kollektiven Aufatmen endet: Uwe Palmroth, erst seit Montag Truppführer beim Kampfmittelräumdienst der Bezirksregierung, hat dem Blindgänger jeden Schrecken genommen. "Ein ganz normaler Arbeitstag", sagt der 44-Jährige betont gelassen — dabei war es seine erste Bombe.

Während Uwe Palmroth die Bombe entschärfte, waren die Straßen rund um den Fundort abgesperrt.

Während Uwe Palmroth die Bombe entschärfte, waren die Straßen rund um den Fundort abgesperrt.

Foto: A. Woitschützke

Bei Kanalbauarbeiten in der Einmündung zur Normannenstraße hatte ein Kranführer den Blindgänger der Fünf-Zentner-Bombe zutage gefördert. Ein Zufallsfund an einer unverdächtigen Stelle. Nur einige Meter weiter, wo ein Luftbild der Alliierten eine Bombe hatte vermuten lassen, war im Juli lediglich eine Munitionskiste gefunden worden.

Andreas Schneider prüft, ob die Sperrzone verlassen wurde.

Andreas Schneider prüft, ob die Sperrzone verlassen wurde.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Zwischen Fund und Entschärfung liegen nur Stunden, in denen auch für Schneider und Kraus die Bombe Thema Nummer eins ist. Den ganzen Mittwoch sind die Mitarbeiter des Kommunalen Servicedienstes (KSD) in der vorgesehenen Sperrzone unterwegs, verteilen Flugblätter, informieren über die Entschärfung, sprechen mit Anwohnern und Firmen. Letzter Akt ist die Kontrollfahrt vor der Entschärfung. Zum Glück findet sich ein Ersatzwagen.

Juli 2013: Bombe in Neuss entschärft
20 Bilder

Juli 2013: Bombe in Neuss entschärft

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Um kurz vor 9 Uhr passieren die Männer die Außensperre der Polizei. "Toi, toi, toi" wünscht Polizist Michael Münter, der sich mit seinem Roller auf der Römerstraße postiert hat — eine von rund 30 Absperrungen, die Heinz-Walter Tieves, Leiter der Polizeiwache Neuss, ab 8.45 Uhr einrichten und überwachen lässt. Auch kleinste Schlupflöcher wie der Fußweg von der Wingender Straße zum Einkaufszentrum Römerstraße sind blockiert, wie das KSD-Team auf Kontrollfahrt zufrieden feststellt. Menschenleer ist der Bereich. Beinahe jedenfalls.

"Guten Tag, Ordnungsamt", spricht Schneider eine Frau an, die ungerührt über den Parkplatz vor dem Hit-Markt schlendert. Dort darf jetzt eigentlich niemand mehr sein. "Wo wollen sie hin?" Doch die Frau will nicht verstehen, deutet mit großen Gesten Schwerhörigkeit an. Allerdings bewirkt der nächste Satz — "hier wird in 30 Minuten eine Bombe entschärft" — ein wahres Wunder. "Bombe? Wo?", fragt sie und bringt sich in Sicherheit.

Eine Handvoll Passanten stöbern Kraus und Schneider auf ihrer Patrouille auf, und immer löst sich das Problem fast von allein. Das ist sonst nicht die Regel. Vor allem im direkten Gefahrenbereich ist längst nicht jeder Anwohner so kooperativ, wie es auch für ihn gut wäre. "Einige sträuben sich immer", sagt Kraus, der mit dafür sorgen muss, dass im Umkreis von 250 Metern rund um den Fundort der Bombe jede Wohnung geräumt ist. 1100 Menschen sind diesmal dazu aufgefordert, doch einige ignorieren selbst die Lautsprecherdurchsagen von Polizei und Feuerwehr. "Manchmal hilft es, einfach zu hupen", verrät Kraus seinen Trick beim "Finden" von Menschen, die einfach in ihren Wohnungen geblieben sind. "Die fragen sich dann: Wer hupt denn da? — Und wenn sie nachsehen, sehen wir die wackelnden Gardinen." Den Rest erledigt in solchen Fällen die Polizei. "Mitnehmen dürfen wir niemanden", stellt Kraus klar.

Die meisten Menschen aber sind eh bei der Arbeit oder in der Schule. 21 Anwohner, die aus der inneren Sperrzone mussten und nicht wissen wohin, finden im Thomas-Morus-Haus eine Anlaufstelle, wo ihnen Gastronom Reiner Franzen ab 8 Uhr Kaffee anbietet. Menschen mit gesundheitlichen Problemen dagegen werden von den Maltesern versorgt. Sie melden schon um 8.30 Uhr Vollzug, nachdem sie eine Frau, die beatmet werden muss, ins Lukaskrankenhaus verlegt haben. "Die Erfahrungswerte machen sich bemerkbar", kommentiert Thomas Mathen als Einsatzleiter den reibungslosen Ablauf. Denn die Further erleben schon zum vierten Mal in diesem Jahr den Wirbel, den Blindgänger auslösen. Auch am eigens eingerichteten Bürgertelefon blieben die Drähte kalt.

So bleibt auch das Team vom KSD locker. "Noch zwei Minuten! Jetzt aber rein", ruft Schneider den Mechanikern zu, die im erweiterten Sperrbezirk noch vor ihrer Werkstatttür stehen und rauchen. Dann rückt auch der KSD ab. Es ist 10.08 Uhr. Und in der Sperrzone bleiben allein die Feuerwerker zurück — mit "ihrer" Bombe.

(NGZ)
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