Neuss Musikcomedy zwischen Klassik und Jazz

Neuss · Keineswegs schicksalhaft erhielt das Thema "Vater und Sohn" des letzten Abokonzertes der Deutsche Kammerakademie Neuss (dkn) einen aktuellen Zungenschlag: Chefdirigent Lavard Skou-Larsen musste die Leitung kurzfristig abgeben, er ist vor drei Tagen erstmals Vater geworden. Der junge Dirigent Eduard Topchjan eilte aus Eriwan zur Stabhilfe, war glänzender Orchesterchef, und man darf sich schon freuen, ihn in der nächsten Saison erneut zu erleben.

 Eduard Topchjan sprang beim dkn-Konzert für Lavard Skou-Larsen ein.

Eduard Topchjan sprang beim dkn-Konzert für Lavard Skou-Larsen ein.

Foto: Pro Classics

Mit "Vater" gemeint aber war eigentlich Don Jaffé. Mit 78 Jahren gehört der in Lettland geborene Cellist zu den späten Komponisten, denn er widmete sich erst nach seiner Pensionierung als Bremer Hochschullehrer der Komposition. Sein Opus 14 wurde jetzt von der dkn nicht nur zur Welturaufführung gebracht, es ist ihr auch gewidmet: "Anni horribili - Klassische Sinfonie für Streichorchester".

In den fünf Sätzen der "Schreckensjahre" arbeitet Don Jaffé ganz persönliche Kindheitserlebnisse von Verfolgung bis zum Lager in Sibirien und Stalins Tod auf. Das lettische Kinderlied im ersten Satz nimmt bald in überwiegend freier Tonalität bedrohliche Düsterkeit an, die in allen Sätzen vorherrscht. In fast regelmäßiger Abwechslung keimt lichte Hoffnung auf, bevor statische Streicherpassagen die Tragödie zum warnenden Manifest machen. Das beeindruckte Publikum überschüttete den anwesenden und über die dkn-Interpretation sichtbar glücklichen Komponisten mit Applaus.

Und dann der "Sohn": Der auch schon in Neuss gefeierte Cellist Ramon Jaffé war Solist im "Konzert für Violoncello und Blasorchester" von Friedrich Gulda. Der exzentrische Österreicher karikiert mit überbordendem Witz in seinem Konzert von 1980 die gängigen Konventionen klassischer Musikvorstellungen. Und um das Crossover zu vervollkommnen, hatte die dkn zu ihren famosen Bläsern das ebenfalls höchst versierte Philipp van Endert-Trio eingeladen. So entstand anspruchsvolle Musikcomedy: Die Ouvertüre im "Glenn-Miller-Sound" wird konterkariert von einem süßlichen Hörnerchoral, in den sich Holzbläser mit einem Ländler einmischen. Seine berauschende Virtuosität spielt Ramon Jaffé in einer Solo-Cadenza aus. Höchst wirkungsvoll der Zusammenklang Violoncello und E-Gitarre im barocken "Menuett", skurril das Finale mit Festzelt-Blasmusik.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort