Lukaskrankenhaus Neuss Helfen, wo die Erde bebt: Neusserin berichtet aus der Türkei

Neuss · Sie haben sich freiwillig gemeldet: Drei Frauen vom medizinischen Personal des Lukaskrankenhauses wollten in der türkischen Erdebenregion helfen – und fanden sich in einer der am stärksten zerstörten Städte des Landes wieder. Was sie dort erleben – und erreichen können.

Caroline Brünger hat sich mit zwei Kolleginnen zum Einsatz in einer der am schwersten Städte in der türkischen Erdbebenregion gemeldet. „Hier bin ich Ärztin, Apothekerin, Krankenschwester und Trösterin“, berichtet sie am Telefon.

Caroline Brünger hat sich mit zwei Kolleginnen zum Einsatz in einer der am schwersten Städte in der türkischen Erdbebenregion gemeldet. „Hier bin ich Ärztin, Apothekerin, Krankenschwester und Trösterin“, berichtet sie am Telefon.

Foto: Rheinland Klinikum

Die Entscheidung fiel schnell. „Wie können wir angesichts dieser entsetzlichen Katastrophe helfen?“ fragten sich die Kolleginnen des Lukaskrankenhauses, Rheinland Klinikum. Vor wenigen Tagen haben sich Caroline Brünger, Leitende Hebamme, die Hebamme Yasemin Özen und die Frauenärztin Seda Özbek-Tuncer auf den Weg ins Erdbebengebiet der Türkei gemacht. Jetzt sind sie in Kahramanmaras in Einsatz, in einer der am stärksten verwüsteten Städte in der Türkei.

Anruf Caroline Brünger: Sie stehe in einem großen Zelt inmitten der völlig zerstörten Altstadt von Kahramanmaras. Ihre Kolleginnen sind an diesem Tag in einer notdürftig eingerichteten „Poliklinik“ – einem Container mit drei Behandlungsräumen – eingesetzt. 700 Patienten wurden an diesem Tag behandelt.

Seda Özbek-Tuncer, Yasemin Özen und Caroline Brünger (v.l.) verließen ihren Arbeitsplatz im Lukaskrankenhaus, um in der Türkei helfen zu können.

Seda Özbek-Tuncer, Yasemin Özen und Caroline Brünger (v.l.) verließen ihren Arbeitsplatz im Lukaskrankenhaus, um in der Türkei helfen zu können.

Foto: Rheinland Klinikum

Im Zelt sind fast 300 Erdbebenopfer untergebracht, darunter zahlreiche Menschen aus Syrien, die zum Teil schon seit Jahren als Flüchtlinge in türkischen Lagern leben. Nun haben sie auch diese ärmliche Unterbringung verloren. „Hier bin hier Ärztin, Apothekerin, Krankenschwester, Trösterin“, sagt die Hebamme.

Sie wühlt sich durch Medikamente in großen Kisten und ergründet mit Google-Hilfe die Wirkstoffe. „Der Morgen beginnt damit, dass wir zwei Stunden lang die gespendeten Medikamente sortieren. Da ist natürlich immer ein Arzt dabei. So bauen wir uns täglich eine kleine Apotheke auf.“ Einen Mangel an Medikamenten gebe es nicht.

Brünger versorgt kleinere Wunden, Infekte, Fieber, Entzündungen, sie hilft Babys mit Koliken und betreut Schwangere. Ärzte sind für die schwereren Fälle vor Ort, mal ist es einer, mal sind es zwei oder drei. Es gehe trubelig zu, berichtet Caroline Brünger. Auch während des Telefonats wird sie immer wieder angesprochen. Ein 14-jähriger Junge aus Syrien übersetzt ins Türkische, dann findet sich jemand, der weiter übersetzt. Sie selbst sei im Helfer-Team aus Ärzten, Hebammen, Altenpflegern und Rettungssanitätern die einzige, die nicht türkisch spreche.

Krätze und Läuse werden allmählich zum Problem. „Wir waschen uns die Hände mit Trinkwasser und nutzen flaschenweise Desinfektionsmittel“, berichtet die Neusserin, die seit ihrer Ankunft noch keine Dusche gesehen hat. Was sie besonders anrührt? Ein Mann, der seinen Sohn und seinen Bruder verloren hat und im Zelt hilft und hilft und hilft und immer wieder ihren Namen ruft. „Und dann sind da die Kinder, die im Zelt Fußball spielen und einfach fröhlich sind.“

Untergebracht sind die drei Helferinnen aus dem Lukaskrankenhaus im Rathaus, einem kaum beschädigten Bau, in dem immer noch 500 Erdbebenopfer leben. Unmittelbar nach dem Beben waren es 3000. In der Stadt, so berichtet die Helferin, seien viele Aktivitäten zu beobachten. Trümmer werden zerkleinert, die ersten Krankenhäuser haben wieder geöffnet, und auch ein Supermarkt verkauft wieder. Überall sind Zeltstädte entstanden.

„Wir lernen hier so viel“, sagt Caroline Brünger für sich und ihre Kolleginnen, die während des Telefonats im Einsatz sind. Die zahllosen Begegnungen mit Erdbebenopfern und anderen Helfern werden sie wohl erst nach ihrer Rückkehr aufarbeiten. Einige Tage werden sie noch bleiben. In der Nacht hat die Erde wieder gebebt…

(NGZ)
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