Cornel Hüsch "Mit mir muss man immer rechnen"

Neuss · Cornel Hüsch sprach auf dem blauen NGZ-Sofa über seine politischen Ziele, die neue Rolle der CDU, die aktuelle Debatte um die Sekundarschulen und die Krankenhäuser und die Kirche der Zukunft. Diese dürfe keine Verbotskirche sein.

 Zum Gespräch auf dem blauen NGZ-Sofa empfing Ludger Baten (l.) Cornel Hüsch in der Bürgergesellschaft an der Mühlenstraße.

Zum Gespräch auf dem blauen NGZ-Sofa empfing Ludger Baten (l.) Cornel Hüsch in der Bürgergesellschaft an der Mühlenstraße.

Foto: woi

Herr Hüsch, Sie engagieren sich in vielen Bereichen: Deutsches Jugendherbergswerk, St. Augustinus-Kliniken, Rotes Kreuz. Das Wichtigste ist sicher der stellvertretende Diözesanvorsitz. Aber verstehen Sie sich auch als Politiker?

Cornel Hüsch In unserer Gesellschaft, mit ihren unterschiedlichen Gruppen - ich denke etwa an Kirchen, Gewerkschaften und Vereine - gibt es viele Menschen, die in irgendeiner Form politisch tätig sind. Ich fühle mich als politischer Mensch. Als jemand, der die Politik begleitet. Ohne den Anspruch zu erheben, alles müsse nach meiner Nase gehen.

Ist das Ihre Definition vom Bürger, der sich einmischt?

Hüsch Ich hoffe, das das noch so ist. Für mich ist der moderne Bürger einer, der sich auf eine gewisse Dauer einmischt - vielleicht auch nur für ein Thema. Dazu reicht es nicht, montags auf die Straße zu rennen und etwas zu verteidigen, was man gar nicht kennt.

Wenn wir von Politikern sprechen, denken wir auch an Menschen mit einem Mandat. Möchten sie noch mal politisch operativ tätig werden?

Hüsch Ich glaube, politisch operativ tätig wird man nicht nur als Landtagsabgeordneter oder als Ratsmitglied. In der Politik braucht es Männer und Frauen, die helfen. Politik lebt von der vielfältigen Meinung, die im Diskurs entsteht, aber nicht unbedingt im nach außen getragenen Streit.

War der Verzicht auf eine CDU-interne Bewerbung zur Landtagskandidatur der endgültige Abschied davon, nach einem großen Amt oder einem großen Mandat zu greifen?

Hüsch Es gibt einen alten Spruch: Sag niemals nie. Ich glaube nicht, dass ich auf dem politischen Altenteil bin, weil ich mich um diese Position nicht beworben habe. Mit mir muss man immer rechnen. Aber man kann sich auch auf mich verlassen. Wenn ich mein Wort gebe, dann halte ich das auch.

Unter ihrem Vorsitz hat die Neusser CDU im Jahr 2004 ein Rekordergebnis für die CDU und für Bürgermeister Herbert Napp eingefahren. Seit dem vergangenen Jahr ist erstmals ein Sozialdemokrat Bürgermeister in Neuss. Hat sich die CDU verändert oder ist die SPD besser geworden?

Hüsch Nein, die SPD ist nicht besser geworden. Aber wir müssen auch ganz klar sagen: Wir haben die Bürgermeisterwahl mit Pauken und Trompeten verloren. Wir haben den Neussern den falschen Kandidaten präsentiert. Thomas Nickel ist eine hervorragende Persönlichkeit. Aber wir haben unterschätzt, dass die Menschen einen Wechsel in der Politik und den Personen wollten.

Empfinden Sie das Ergebnis der Bürgermeisterwahl als gerecht? Immerhin geht es Neuss nach jahrelanger CDU-Verwaltung sehr gut.

Hüsch Man hat als Politiker keinen Anspruch auf Dankbarkeit. Der Wähler wählt nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft. Und da müssen wir deutlich machen: Wir nehmen unsere neue Rolle an. Mit der erfolgreichen schwarz-grünen Koalition wollen wir eine Politik aufzeigen, die uns wieder einen CDU-Bürgermeister und klare Verhältnisse im Rat bringt. Der Wahlerfolg von Hans-Jürgen Petrauschke zeigt ja, dass in Neuss noch eine absolute Mehrheit für die CDU möglich ist.

Was muss die CDU tun? Hat sie im Sozialbereich zu stark nachgelassen?

Hüsch Nein, das glaube ich nicht. Man darf allerdings Sozialpolitik nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Finanzpolitik sehen. Das ist eine Zeit lang getan worden. Nun haben wir einen neuen Sozialdezernenten gewählt. Der weiß: Wir müssen nicht geringe Ausgaben erreichen, sondern Geld an den richtigen Stellen ausgeben. Außerdem müssen wir wieder anfangen, mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen, ihre Probleme aufzunehmen und zu lösen.

Wie geht das in der Praxis?

Hüsch Arbeiten, arbeiten, arbeiten. Das ist keine Holschuld der Bürger, sondern eine Bringschuld der Politik. Wir müssen da sein, wo die Menschen sind. Die CDU hat viele Mitglieder. Wenn die alle zu den Bürgern gehen, habe ich keine Bange um unsere Zukunft.

Sehr sensibel ist zum Beispiel das Thema Flüchtlinge. Wie sollte die CDU damit umgehen?

Hüsch Zunächst mal stellen wir fest, dass es wunderbar viele Neusser gibt, die helfen. Die müssen wir unterstützen und stärken. Auf der anderen Seite müssen wir die Sorgen der anderen Bürger ernst nehmen. Was wir aber nicht machen dürfen: Die Frage der inneren Sicherheit und der Flüchtlinge verknüpfen.

Neuss entwickelt gerade seine Schullandschaft weiter. Bald könnte es nur noch Gesamtschulen und Gymnasien geben. Hat die Sekundarschule noch eine Zukunft?

Hüsch Wenn sie gut gemacht wird: Ja. Sie muss gut ausgestattet werden und darf nicht als Reste-Rampe dargestellt werden. Ich finde es ungerecht, dieses Modell jetzt schon zu zerreden.

Wie sehen Sie den baulichen Zustand von Neusser Schulen?

Hüsch Ich glaube, das Land hat insgesamt die Ausstattung von Schulen zu lange aus dem Blick verloren. NRW muss wieder viel mehr in Bildung investieren. Auch bei der Bezahlung von Konrektoren an Grundschulen muss das Land dringend nachbessern.

Das große Thema dieses Jahr war die Jugendstilsammlung. Sagen Sie "Chance vertan" oder "Gott sei dank, wir sparen"?

Hüsch Es hat selten eine Diskussion gegeben, mit der sich die Stadtverordneten so intensiv auseinander gesetzt haben und der Bürgermeister so wenig geführt hat. Man sehnt sich ja fast die Zeit zurück, wo ein Bürgermeister klar Position bezieht. Wenn der Bürgermeister nur moderiert, stehen wir vor fünf verlorenen Jahren. Wir werden unter Wert regiert. Die Museumsdiskussion zeigt, dass Reiner Breuer ein Totalausfall ist. Und: Ja, ich hätte lieber eine Zukunft mit Jugendstilsammlung und erneuertem Clemens-Sels-Museum gesehen.

Die Kreiskrankenhäuser in Dormagen und Grevenbroich sind in Finanznöten. Welche Auswirkungen hat das auf die Neusser Krankenhäuser?

Hüsch Das Thema betrifft Neuss. Denn in zwei Jahren könnten die beiden Kreiskrankenhäuser defizitär arbeiten. Dann müsste der Kreis die Kosten übernehmen, mit 40-prozentiger Beteiligung der Stadt Neuss über die Kreisumlage. Daher ist Zusammenarbeit möglich, wenn dabei das Angebot in Neuss nicht verwässert wird.

Sollte der Kreis die Krankenhäuser verkaufen?

Hüsch Das ist kein Allheilmittel. In Krefeld haben wir gesehen, welche negativen Folgen der Verkauf eines Krankenhauses haben kann. Gesundheitsversorgung ist Daseinsvorsorge. Der Verkauf der Kreiskrankenhäuser schafft keine Lösung, sondern neue Probleme.

Neben der Politik engagieren Sie sich in der katholischen Kirche und waren beim Katholikentag in Leipzig. Nur vier Prozent der Menschen in Leipzig sind Katholiken. Wie haben Sie das erlebt?

Hüsch Das war schon eine spannende Erfahrung. Im Kreis Neuss haben wir ja noch 177.000 Katholiken. Das sind knapp 27.000 mehr als im gesamten Land Sachsen. In Leipzig steigt die Zahl der Katholiken derzeit aber leicht. Es gibt dort ein großes Interesse an den Antworten, die der christliche Glaube gibt. Kirche ist bunt und groß. Sie bietet viele Möglichkeiten.

Im Kreis Neuss sinkt die Zahlen der Christen. Es wird immer schwieriger, Pfarrstellen zu besetzen. Wie sieht die Zukunft aus?

Hüsch Das ist ein langer Prozess. Die Zahl der Pfarrer sinkt in der Tat. Daher können die getauften und gefirmten Laien mehr Aufgaben übernehmen. Gleichzeitig muss die Kirche sich auch wieder stärker um die Menschen außerhalb der Kirche kümmern. Es darf nicht mehr darum gehen, was die Kirche von den Menschen erwartet, sondern was Menschen von der Kirche erwarten. Die Verbotskirche ist nicht die Kirche der Zukunft.

L. BATEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH, J. HUSCHAUER FASSTE ES ZUSAMMEN.

(NGZ)
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