Neuss "Mit jedem Wurm per Du"

Neuss · Vor 50 Jahren kaufte Heinrich Schmidt im Kleingartenverein ein Gartenstück für 360 Mark - 150 davon musste er sich leihen. Bis heute hat er die Investition nicht bereut: Der Garten ist Schmidts Lebensmittelpunkt. Jeden Tag ist er dort.

 Heinrich Schmidt hat seine Leidenschaft fürs Kleingärtnern seinen Kindern vererbt, die beiden Söhne haben selbst ein Stück Garten gekauft.

Heinrich Schmidt hat seine Leidenschaft fürs Kleingärtnern seinen Kindern vererbt, die beiden Söhne haben selbst ein Stück Garten gekauft.

Foto: büntig

Heinrich Schmidt gehört noch zur alten Kleingärtner-Generation. Seit 50 Jahren ist das 500 Quadratmeter große Areal auf dem Kleingartengelände "Em Grundwässerke" sein Hobby und Lebensmittelpunkt. "Im Januar 1960 habe ich den Kleingarten für 350 Mark gekauft", erinnert sich der 77-Jährige und schaut über Rhododendren, Azaleen und Obstbäume. 150 Mark hatte er sich sogar leihen müssen, "aber die habe ich bei einem Gärtner für zwei Mark pro Stunde abgearbeitet." In der Zeit nach dem Krieg dienten Kleingärten als Nutzgärten; angepflanzt wurden Kartoffeln, anderes Gemüse und Obst. "Das habe ich alles nacheinander entfernt und den Garten umgestaltet."

"Lackschuh-Garten"

So wurde im Laufe der Zeit aus dem Nutzgarten ein Ziergarten, für den Heinrich Schmidt immer wieder Komplimente bekommt: "Im Verein nennen sie ihn immer ,Lackschuh-Garten', weil er so akkurat und gepflegt ist", sagt Bernhard Schmidt, Sohn des Kleingärtners. Er und seine vier Geschwister Jürgen, Werner, Renate und Brigitte sind mit und in dem Garten aufgewachsen und möchten ihn ebenso wenig missen wie ihr Vater. "Die Liebe zur Natur liegt sozusagen in unseren Genen", sagt Werner Schmidt. Als Mitarbeiter bei der Bundesbahn hatte Heinrich Schmidt durch die Wechselschicht immer Zeit, sich um sein Lebenswerk zu kümmern. Unterschlupf fand er in der großzügigen, 48 Quadratmeter großen Laube. "Die habe ich vor 34 Jahren gebaut, heute dürfen die Lauben gar nicht mehr so groß sein", weiß er, "denn die Vorschriften der Stadt werden immer enger." Den gepflasterten Weg entlang erblickt der Garten-Besucher Schmidts ganzen Stolz: den Zierrasen. "Aber in diesem Jahr ist er nicht ganz so schön wie sonst." Lauschige Sitzecken bieten Platz für die ganze Familie, selbst die vier Enkelkinder wissen das Grundstück schon für Feiern zu schätzen. Seit der Kleingärtner, der "mit jedem Wurm per du" ist, mit 61 Jahren pensioniert wurde, nimmt er sich noch mehr Zeit für die Gartenarbeit: "Ich bin täglich für drei bis vier Stunden hier, sehe nach dem Rechten und erledige, was nötig ist." Seit seiner Kindheit liebt der Naturmensch, der aus der Eifel stammt, den Garten und die Landschaft. Neben der Familie, Arbeit und dem Garten blieb nie viel Zeit für andere Hobbys, aber die Spiele des 1. FC Kaiserslautern habe er oft verfolgt.

Auf einem Plateau der Grünanlage thronen Relikte aus vergangenen Zeiten: Zwei große Gartenzwerge, die letzten Überlebenden einer "ganzen Armee", bewachen Blumen und Sträucher. "Die haben damals 200 Mark gekostet – ich mag sie immer wieder gerne." Den Spleen des Vaters haben die erwachsenen Kinder von Anfang an akzeptiert. Die beiden Söhne Jürgen und Werner haben sogar selbst einen Kleingarten erstanden, unweit von dem des Vaters. Als Anerkennung schenkten sie ihm zum Jubiläum auch einen vergoldeten Spaten – und zum Anstoßen gab es "Heinz Gartenbräu Premium".

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort