Energieversorgung im Rhein-Kreis Neuss Djir-Sarai (FDP): „Es ist Zeit, alte Tabus zu brechen“

Rhein-Kreis · Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) der CDU hatte zum Talk über den Ukraine-Krieg und energiepolitische Folgen geladen. Gastredner im Gare du Neuss war der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, der Klartext redete.

Am Rande der Talk- und Diskussionsveranstaltung der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) im Gare de Neuss (v. l.): Klaus Goder, Bijan Djir-Sarai, Dirk Brügge und Stefan Arcularius.

Am Rande der Talk- und Diskussionsveranstaltung der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) im Gare de Neuss (v. l.): Klaus Goder, Bijan Djir-Sarai, Dirk Brügge und Stefan Arcularius.

Foto: Andreas Woitschützke

Es war angerichtet – und zwar im schicken Ambiente des Gare du Neuss mit seinen etlichen Accessoires aus dem Fundus des Düsseldorfer Opernhauses. Dort tagte am Dienstagabend zum wiederholten Male die Mittelstands- und Wirtschaftsunion Neuss (MIT) der CDU. Dabei ging es um ein auf den Nägeln brennendes Thema: Energie- und Gassicherung für Deutschland und den Rhein-Kreis Neuss. Klaus Goder, MIT-Vorsitzender in Neuss, und sein Stellvertreter Stefan Arcularius konnten ein sehr sachkundiges Publikum begrüßen, darunter den Bundestagsabgeordneten Ansgar Heveling (Korschenbroich). Ihr besonderer Willkommensgruß galt aber dem im April gewählten FDP-Generalsekretär und Immer-noch-Kreispolitiker Bijan Djir-Sarai (46) aus Grevenbroich. Er hielt einen Hauptvortrag zum Thema: „Es ist Zeit, alte Tabus zu brechen“.

Der Redner, der bereits in seiner ersten Legislatur als Bundestagsabgeordneter (2009 bis 2013) im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages saß und nun seit 2017 im gleichen Ausschuss der Obmann der FDP-Fraktion ist, konzentrierte sich zunächst auf die Außenpolitik. „Ich war nie naiv, was Russland betrifft, aber den 24. Februar (Beginn des Ukraine-Krieges) habe ich nicht kommen sehen“, gab der erfahrene Außenpolitiker zu. Dem Despoten Putin gehe es allein darum, Europa zu destabilisieren. „Wenn die Ukraine schnell zusammengebrochen wäre, wäre kein Land in Europa mehr sicher“, ist Bijan Djir-Sarai überzeugt. Deshalb plädiert er für die schnelle Lieferung auch schwerer Waffen in die zum Krieg gezwungene Ukraine. Russland setze auch ganz bewusst die Nahrungsmittelknappheit als Waffe ein – wie auch die Energie.

Diesem Thema widmete sich der Referent sodann, indem er die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel zitierte: „Russland wird niemals Energie als Waffe einsetzen!“ Das sei ein Trugschluss gewesen, konterte der Grevenbroicher: „Der Ukraine-Krieg verändert alle politischen Felder. Merkels Satz gilt nicht mehr. Es war ein großer Fehler, derart abhängig von Russland zu sein.“ Konsequent plädiert der FDP-Generalsekretär pro Laufzeitverlängerungen für Kohlekraft- und Atomkraftwerke: „Es ist Zeit, alte Tabus zu brechen. Wir sollten nicht mehr übers Duschen reden, sondern über Laufzeitverlängerungen.“ Einen kleinen Trost hatte Bijan Djir-Sarai für seine Zuhörer: „Kein Despot hat in der Geschichte überlebt. Auch Herr Putin wird letztlich scheitern.“

Doch der Blick ging auch in den Rhein-Kreis. Djir-Sarai betonte, dass er sich bereits auf das Neusser Schützenfest freue, für ihn ein Höhepunkt im Jahr. Als Grenadier will er nach zwei Jahren pandemie-bedingter Pause den Markt wieder „eraff“, dann „erop“ laufen.

Kreisdirektor Dirk Brügge schilderte, was der Rhein-Kreis Neuss mit seiner Energiesparwende schaffe. Neben kleinen Maßnahmen wie der Reduzierung der Raumtemperatur setzt er seine Hoffnung besonders auf die Fotovoltaik: „Sie hat riesige Aufbauchancen.“ Was der Kreis hingegen nicht leisten könne, sei etwa einen Gasspeicher zu betreiben. Der Kreisdirektor beschloss seinen Überblick mit einem Appell für ein langfristig angelegtes Konzept: „In Deutschland wissen wir sehr genau, wo wir gegen etwas sind. Es wird höchste Zeit zu überlegen, wo wir einmal dafür sind.“

Ganz in diesem Sinne gestaltete sich die anschließende Diskussion, die von Vorstandsmitglied Bärbel E. Kohler geleitet wurde. Sachkundige Fragen wurden vor allem an Bijan Djir-Sarai gestellt, etwa zum aktuellen „Ringtausch“. Seine Antwort: „Der Ringtausch, dass osteuropäische Länder russische Waffen an die Ukraine liefern und dafür Geräte aus Deutschland erhalten, ist eine wunderbare Idee, die nicht funktioniert. In der Praxis hat sie sich als überaus schwierig erwiesen, und Deutschland verliert deutlich an Reputation. Also: direkt an die Ukraine liefern.“

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