Neuss Mieter aus Erfttal wollen sich zusammenschließen

Neuss · Die Anwohner der Wohnanlage, die von dem Immobilieninvestor "WVB Centuria" verwaltet wird, beklagen unhaltbare Wohnzustände.

 Bei der Mieterversammlung informierten (v.li.) Hans-Dieter Krupinski, Heinz Sahnen und Felix von Gruenberg die Anwohner.

Bei der Mieterversammlung informierten (v.li.) Hans-Dieter Krupinski, Heinz Sahnen und Felix von Gruenberg die Anwohner.

Foto: woitschützke

Die Zustände in der Erfttaler Wohnanlage, die von dem Berliner Immobilieninvestor "WVB Centuria" verwaltet wird, sind weiterhin unerträglich. Darin waren sich auf einer Mieterversammlung am Dienstagabend alle Teilnehmer einige. Eingeladen hatte der Stadtverordnete Heinz Sahnen (CDU). Gekommen waren 15 Anwohner, die von unvorstellbaren Wohnzuständen berichteten.

Etwa Caman Pancarci. Die 38-jährige Mutter einer sechsköpfigen Familie wohnt in der sechsten Etage. "Unser Aufzug ist seit vier Monaten außer Betrieb und es ändert sich nichts", sagt Pancarci. Sie und ihr Mann dürfen wegen gesundheitlicher Probleme jeweils nur fünf Kilogramm heben - ohne Aufzug ein Ding der Unmöglichkeit. Die Familie hat deshalb die Miete gemindert. "Auf Briefe und Anrufe wird nicht reagiert, aber wir haben jetzt Inkassounternehmen an der Tür stehen", erzählt die Erfttalerin. Ein Vorgehen, dass allen Teilnehmern nur zu gut bekannt ist. So berichtet eine junge Mutter von Schimmel und Silberfischen "im Bad, in den Betten meiner Kinder und im Essen, eigentlich überall". Auch ein fehlendes Geländer im Treppenhaus werde nicht repariert. Sie habe daher von einer gesetzlich möglichen Sonderkündigung Gebrauch gemacht. Bis heute will die WVB Centuria die Schlüssel aber nicht annehmen und schickt stattdessen Mahnungen und Inkassounternehmen.

Solche Zustände sind in der Wohnanlage an der Euskirchener Straße 42 bis 76 nicht neu. Schon 2009 hatte Heinz Sahnen eine gemeinsame Initiative der Anwohner organisiert. 112 Familien machten mit, auch die Ämter von Stadt und Kreis halfen: Sechs Wohnungen wurden für unbewohnbar erklärt und 76 Sanierungsanordnungen erlassen. Daraufhin begann die WVB Centuria Sanierungsmaßnahmen. Drei von vier Sanierungsschritten sind getan. Doch viele Mängel bleiben, neue sind entstanden, werden aber von der WVB ignoriert, beklagen die Anwohner.

Problem ist auch die Eigentümerkonstruktion. Die WVB Centuria ist nämlich nur der Verwalter. Sie ist eine Tochtergesellschaft der im Grundbuch als Besitzer eingetragenen Frankfurter "GGR Wohnparks GmbH". Deren Eigentümer ist nicht erkennbar, da er als so genannter "Stiller Teilhaber" auftritt. Laut Fachpresse wurden die 384 Wohnungen in Erfttal jedoch kürzlich verkauft. Sie gehören zu den 7000 Wohnungen im "Margot Protfolio", das für 270 Millionen Euro an die Invest GmbH verkauft worden sind. Vertreter von Mietervereinen bezeichnen diese als "Heuschrecke". Gerüchteweise soll der neue Eigentümer mit dem Unternehmen, das bisher die Sanierungsarbeiten ausgeführt hat, im Clinch liegen. Beide kommunizieren laut Stadtverwaltung "nur noch über Anwälte". Der Briefwechsel liegt der Stadt vor. Auch deswegen stehen die weiteren Sanierungsarbeiten nun still.

Am Dienstag gaben geladene Experten Tipps und erklärten, welche Rechte die Anwohner haben. Mit dabei waren der Landesvorsitzende des Mieterbundes NRW, Felix von Grünberg, der frühere Ministerialrat im Landesbauministerium, Hans-Dieter Krupinski, und Perdita Ermbter von der Abteilung Wohnungswesen der Stadt Neuss.

Von Grünberg wies vor allem auf Zivilrechtliche Möglichkeiten hin. Er empfahl, grundsätzlich Mängel zu dokumentieren und dann mit rechtlichem Beistand der Mietervereine die Miete zu mindern. Oder - "besser noch" - den Vermieter auf Mängelbeseitigung zu verklagen. Auch Anwohner Manfred Horbach ermunterte seine Nachbarn dazu. Der 65-Jährige wohnt seit 1988 an der Euskirchener Straße. Er sagt: "Bleiben Sie ruhig, Sie sitzen am längeren Hebel." Horbach hat laut eigener Aussage schon mehrfach vor Gericht gewonnen. "Ich kenne und nutze meine bürgerlichen Rechte", sagt er. Darüber hinaus verwiesen Ermbter und Krupinski gestern auf das neue Wohnaufsichtsgesetz. Wichtigster Punkt: Die Kommunen können die Eigentümer künftig stärker zur Mitwirkung bei der Ermittlung und Beseitigung von Schäden zwingen. Außerdem werden erstmals Mindestanforderungen an Wohnraum gestellt. Nach dem Schützenfest wollen sich die Beteiligten noch einmal treffen, um Ansatzpunkte für eine gemeinsame Initiative auszuloten. Vorbild könnte der Erfolg von 2009 sein.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort