Neuss Mehr Missbrauchsschutz in Jugendarbeit

Neuss · Alle rund 4000 Übungsleiter und sonstigen Helfer, die ehrenamtlich in der Neusser Kinder- und Jugendarbeit tätig sind, müssen jetzt ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Damit setzt die Stadt ein Bundesgesetz um.

Wie entdeckt man, ob ein Kind missbraucht wird?
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Foto: AP

120 in Neuss tätige Sportvereine bekommen in den nächsten Tagen Post von der Stadt. Darin werden sie aufgefordert, sich von allen ihren ehrenamtlichen Übungsleitern und Helfern ab 14 Jahren, die mit Kindern oder Jugendlichen zusammenarbeiten, ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen zu lassen. Bis zum 31. Juli müssen die Vereine eine Vereinbarung unterzeichnet haben, dass sie dies umsetzen werden. Anschließend haben sie drei Monate Zeit, sich die Bescheinigungen von den Ehrenamtlern vorlegen zu lassen. Die Vereinbarung war jüngst im Jugendhilfeausschuss beschlossen worden.

"Damit sollen Missbrauchsfälle von Kindern und Jugendlichen im Bereich der Jugendarbeit verhindert werden", erklärt Jugend- und Sportdezernent Stefan Hahn. Einen konkreten Anlass gebe es in Neuss nicht, beruhigt er. In Neuss habe es in den vergangenen 20 Jahren nur einen Fall im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit gegeben, bei dem ein Urteil noch ausstehe.

Die Jugendämter seien aber nach dem neuen Bundeskinderschutzgesetz (Paragraph 72a im Sozialgesetzbuch VIII) verpflichtet, entsprechende Vereinbarungen mit in der Kinder- und Jugendarbeit aktiven Trägern und Einrichtungen abzuschließen. So solle sichergestellt werden, dass Personen, die wegen einer das Kindeswohl betreffenden Straftat verurteilt wurden, nicht in diesem Bereich beschäftigt werden. Dies sei auch eine Entlastung für die Verantwortlichen in den Vereinen.

"Die Vereine begrüßen natürlich, dass Missbrauch vorgebeugt werden soll", berichtet Gösta Müller, Geschäftsführer des Neusser Stadtsportverbands. "Allerdings fühlen sie sich zu Unrecht unter Generalverdacht gestellt." Schließlich habe der Landessportbund selbst schon vor einiger Zeit eine Initiative gegen Missbrauch gestartet und einen entsprechenden Ehrenkodex entwickelt.

Außerdem sähen einige Ehrenamtler ihr Recht auf Datenschutz verletzt. Denn im erweiterten Führungszeugnis stehe nicht nur, ob jemand beispielsweise wegen sexuellen Missbrauchs, Menschenhandel oder der Verbreitung von Kinderpornografie verurteilt worden sei, sondern auch, wenn er Geldstrafen wegen Fahrens ohne Führerscheins oder ähnlichen Vergehen erhalten habe. "Das geht niemanden aus dem Verein etwas an", sagt Müller. "Deshalb müssen die Übungsleiter ihr Zeugnis nicht in Kopie dem Verein zur Verfügung stellen. Vielmehr legen sie es einem Vertrauensmann aus dem Verein oder - als neutrale Stelle - aus dem Stadtjugendring vor, und der bestätigt in einem Schreiben, dass keine relevanten Vorstrafen in dem erweiterten Führungszeugnis aufgelistet seien", erklärt Müller.

Er schätzt, dass etwa 2000 ehrenamtliche Übungsleiter und Helfer in Sportvereinen nun ein solches Zeugnis beibringen müssen. Noch einmal genauso viele sind es aus dem Bereich der Jugendarbeit von Stadt, Kirchen, Kultur und Hilfsorganisationen - wie offener Ganztag oder Jugendfeuerwehr -, weiß Goetz Barkey vom Jugendamt. "Mit ihnen stehen wir bereits in engem Kontakt." Auch an sie gingen jetzt rund 60 Schreiben hinaus.

(NGZ)
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