Neuss Marienkantor Palm verabschiedet sich mit "Ave Maria"

Neuss · Das hätte man wohl ahnen können: Doppelt so viele Besucher wie üblich kamen zur Abendmusik in St. Marien, für die Hälfte gab es keine Programme mehr. Grund war eher nicht das schöne Thema "Ave Maria", sondern dass es die letzte Abendmusik war, in der Stefan Palm in der von ihm begründeten und beliebten Reihe musizierte.

Der Marienkantor verlässt nach 16 Jahren Neuss, weil er eine Berufung zum Professor für Orgelliteraturspiel an der Hochschule für Kirchenmusik der Diözese Rottenburg-Stuttgart angenommen hat. Glücklicherweise geht man niemals so ganz, denn die künstlerische Leitung der Dycker Schlosskonzerte will er behalten.

Das Thema "Ave Maria" eignet sich so recht zum Abschied nehmen, denn durch alle Jahrhunderte wurde das nach dem "Vater unser" verbreiteste Gebet der christlichen Kirchen mit einschmeichelnden Melodien versehen. Das berühmteste schrieb zweifellos Charles Gounod, der das erste Präludium aus dem "Wohltemperierten Klavier" von Johann Sebastian Bach mit einer meditativen Melodie überhöhte. Charles Parker (Violine) spielte sie in der Marienkirche sehr einfühlsam über fein verhalten registrierter Orgel. Gleichermaßen bekannt ist das "Ave Maria" von Franz Schubert, das aber so nicht von ihm stammt. Der Text wurde einem seiner Lieder aus dem Zyklus "Das Fräulein vom See" unterlegt. Auch Helene Fischer hat diese Melodie für sich entdeckt, aber mit neuem, extrem kitschigen Text versehen.

In feinen Flötenregistern leitete Stefan Palm das "Ave Maria" ein, das im Programm dem italienischen Frühbarockkomponisten Giulio Caccini zugeschrieben wurde. Es stammt aber von dem russischen Lautenisten und Komponisten Wladimir Wawilow (1925-1973). Das Gebet erklang in romantischen (Camille Saint-Saëns), fast impressionistischen (César Franck) Fassungen und endete (als Zugabe) in einer begeisternden zeitgenössischen Komposition des argentinischen Tango-nuevo-Meisters Astor Piazolla.

Zwischen den "Ave Maria" spielte Laura Palm die einzelnen Sätze der "Suite Nr. 3 C-Dur" für Violoncello solo von J. S. Bach. Da Laura Palm aber gerade in Philadelphia (USA) - dort ist Charles Parker einer ihrer Lehrer - ihren Master in Violine und Viola gemacht hat, spielte sie die Suite meisterhaft auf der Viola, die einen herrlich satten Ton von der Orgelempore in das Kirchenschiff sandte. Das Violoncello beherrschte sicher Lea Maria Haas, die im "Quartett in g-Moll für Klavier, Violine, Viola und Violoncello" von Mozart dabei war. Hier konnte man den Noch-Marienkantor als virtuosen Pianisten erleben.

(Nima)
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