Neuss Makelloses Spiel eines Streicherquartetts

Neuss · Das Belcea Quartet aus London eröffnet im Zeughaus die Saison der dortigen Konzertreihe.

 Garanten für hohe Qualität: das Belcea Quartet.

Garanten für hohe Qualität: das Belcea Quartet.

Foto: Marco Borggreve

Es ist schon erstaunlich, zu welcher kompositorischen Reife und inhaltlichen Tiefe der junge Franz Schubert fähig war. Von dessen im Jahre 1813, also im Alter von 16 Jahren, komponierten Streichquartett Nr. 10 Es-Dur waren die Besucher des Auftaktkonzertes der Zeughauskonzertreihe zu Recht hellauf begeistert. Das lag aber nicht nur an den überirdisch schönen Melodien der recht knapp gefasster und klar strukturierter Tonschöpfung - das Belcea Quartet mit der Rumänin Corina Belcea (1. Violine), dem Polen Krzysztof Chorzelski (Viola) und den beiden Franzosen Axel Schacher (2. Violine) und Antoine Lederlin (Violoncello) vermochte das selten zu hörende Werk mit bestechender Einfühlsamkeit mittels fein dosierter Süße und makellosem Spiel lebendig werden zu lassen.

Abrupter könnte der Gegensatz zum nächsten Programmpunkt nicht sein. Dmitri Schostakowitsch schrieb sein 8. Streichquartett c-Moll im Jahre 1960 während der Arbeit an der Filmmusik zum deutsch-sowjetischem Film "Fünf Tage - fünf Nächte", der die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg zum Thema hat. Zum einen sollte das Quartett an die zahllosen Opfer erinnern, zum anderen wollte der Komponist sich den Frust, den er seinem ihn immer wieder bedrängenden Regime gegenüber empfand, von der Seele schreiben. Ein dritter Grund für dieses vom kontemplativen Largo bis zum wütenden, atonalen Ausbruch reichende Opus mit zahlreichen Zitaten eigener Werke war ein mehr egoistischer: Es sollte ein Erinnerungswerk an den Tonsetzer selbst sein.

Dem trefflich harmonierenden Belcea Quartet, das bereits seit 1994 besteht, weltweit konzertiert und zahlreiche CDs - vornehmlich mit modernen Kompositionen - aufgenommen hat, gelang es, dank seiner hochkonzentrierten, reich differenzierten und auch harschen Zugriff nicht scheuenden Spielweise, alle kompositorischen Vorgaben fesselnd auszuloten.

Die großartige Primaria, die zwar optimal führt, sich aber nie ungebührlich in den Vordergrund drängt, hat mit dem adäquaten Geigenkollegen, dem sich selbstbewusst behauptenden Bratscher und dem voller Inbrunst gestaltenden Cellisten Mitstreiter an ihrer Seite, die Garanten für lebendige und hochrangige Wiedergabe sind.

Das bestätigte sich noch einmal im Quartett a-Moll von Johannes Brahms. Da seien das traumschön ausgestaltete Andante moderato und das elegante Minuetto besonders hervorgehoben. Für den ausdauernden Applaus dankten die Gäste mit einer virtuosen Zugabe.

(NGZ)
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