Lexikon des Ex-Bibliothekschefs in Neuss Wissen Sie, was ein Fluddel ist?

Neuss · „Vernetzt!“ heißt das Buch, in dem der frühere langjährige Leiter der Stadtbibliothek, Alwin Müller-Jerina, erklärt, was das Haus am Neumarkt ausmacht.

 Da war er noch Chef der Neusser Stadtbibliothek, als Pensionär hat Alwin Müller-Jerina gerade ein Buch herausgebracht.   Foto: hbm

Da war er noch Chef der Neusser Stadtbibliothek, als Pensionär hat Alwin Müller-Jerina gerade ein Buch herausgebracht. Foto: hbm

Foto: Helga Bittner

Wissen Sie, was ein Fluddel ist? Oder ein Freihandbereich? Was hat eine Roadshow in einer Bibliothek zu suchen? Was ist Mystery Shopping? Und der Totentisch? Wie schafft es überhaupt ein Buch ins Regal einer städtischen Bibliothek? Fragen über Fragen, die Alwin Müller-Jerina beantworten kann. Oder man nimmt einfach sein Buch in die Hand, das unter dem Titel „Vernetzt!“ erschienen ist und als Lexikon über die Neusser Stadtbibliothek erzählt.

Von 1997 bis 2018 war Müller-Jerina der Chef des Hauses am Neumarkt. Jahre, in denen er vieles von dem aufgebaut hat, was heute für die Nutzer der Bibliothek selbstverständlich ist. Aber auch Jahre, in denen mit dem Digitalen etliche technische Änderungen in die Welt kamen. Auch für das Bibliothekswesen.

Seit 2008, als die Neusser Bibliothek ihr 100-jähriges Bestehen feierte, trägt er die Idee mit sich, ein Buch herauszugeben. „Es gab viele Vorstudien“, sagt er, und gesammelt habe er sie in einem elektronischen Ordner, wo sie lange vor sich „hingeschmort“ hätten. „Irgendwann habe ich dann alles sortiert, wollte aber ganz bewusst keine Chronologie machen.“

So kam ein Lexikon heraus, mit Erklärungen, was zum Beispiel unter Schlagworten wie „Fluddel“ zu verstehen ist. Auch wenn das Wort keineswegs ein „bibliothekarischer Fachbegriff“ sei, wie er zugibt. Immerhin aber ist er in Neuss erfunden worden und meint ein Stückchen Einbindefolie, das auf Etiketten (etwa mit Exemplar-Nummer) aufgeklebt wird, um sie zu schützen. Dass das Buch erst jetzt, ein gutes Jahr nach seiner Pensionierung, erschienen ist, hat natürlich auch mit der Zeit zu tun, die in all den Chef-Jahren zu knapp war: Ständig, so sagt er, seien andere Projekte dazwischen gekommen.

Und von denen gibt es schließlich genug. Ob „Literarischer Sommer“, „Neuss liest“, „Lesebär“, Bücherkisten oder die Neuaufstellung eines Bibliotheksverfahrens namens aDIS/BMS, das in Neuss als Pilot entwickelt wurde – alles findet sich in dem Buch und wird zudem so erklärt, dass es jeder verstehen kann. Von A bis Z sind dem 150 Seiten starken Buch die Oberbereiche zugeordnet, orange und mit Pfeil markierte Begriffe in den Texten zeigen an, dass sie sich auch unter anderen Ober-Buchstaben wiederfinden können.

Unter F wie „Freihandbereich“, der die Regalbestände meint, bei denen sich der Besucher selbst bedient, sind es „Kunde“ oder „Sondersammelgebiete“. Unter R wie „Roadshow“ ist es die Onleihe. Denn die wurde mit Hilfe der Roadshow ordentlich beworben, bedeutet sie doch nichts anderes, als dass die Azubis der Stadtbibliothek sich zentral im Haus positionierten, um die Besucher auf das Onleihe-Angebot der Bibliothek anzusprechen.

Allerdings sind es nicht allein die erfolgreichen Dinge, die Müller-Jerina auflistet. Auch mittlerweile eingestellte Veranstaltungen gehören dazu. Wie die Dycker Dichterlesungen, die es vier Jahre lang in Kooperation mit dem dortigen Förderverein gab, aber aufgegeben wurden, weil „das Veranstaltungskonzept des Fördervereins sich änderte“, wie Müller-Jerina schreibt. Oder die „Filme am Nachmittag“, die „English Movie Weeks“ in der Stadtbibliothek sowie der Flyer „Neuigkeiten“.

Auch das Bibliothekspersonal wird charakterisiert. Über den Begriff „Lektoren“ zum Beispiel, deren Fähigkeiten etwa im Umgang mit Besuchern auch durch das „Mystery Shopping“ getestet wurde. 2011/12 hatte die Bibliothek diese Art der anonymen Befragung durch Studenten machen lassen. Wobei diese auch ein Urteil fällten über Orientierungshilfen oder Aufenthaltsqualität.

Je nach Schlagwort sind die Kapitel mal kurz, mal länger gehalten. Die Geschichte der Neusser Stadtbibliothek bekommt naturgemäß mehr Raum als die Erklärung zum „Totentisch“ (der als letzte Ehre alles vereint, was beim plötzlichen Tod eines Autors im Bestand der Bibliothek zu finden ist).

 Buchcover „Vernetzt!“ von Alwin Müller-Jerina.

Buchcover „Vernetzt!“ von Alwin Müller-Jerina.

Foto: Helga Bittner

Und einer der letzten Begriffe liefert die Erklärung für jenen Vorgang, der vermutlich den Besucher am meisten interessiert: Wie kommt ein Buch in die Bibliothek? Das Buch liefert die Antwort. Ein ganzes Bündel von Entscheidungshilfen wird herangezogen: der Lektor und seine Kenntnis des Fachbereiches, Rezensionen, Bestsellerlisten, der übergeordnete Bibliotheksservice – und vielleicht auch der Besucher, der in einem „Wunschbuch“ auf der Homepage oder „Wunsch-Box“ in der Bibliothek Anregungen geben kann.

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