Neuss Kulturgut Kirschbaum

Neuss · Die Biologische Station hat aufgerufen, alte regionale Obstbaumsorten zu melden. Etliche Standorte wurden kartiert. Auch Herbert van Hüllen will nun wissen, ob sein Sauerkirschbaum im Garten eine solche Rarität ist.

 Herbert van Hüllen in der weißen Wolke seines Sauerkirschbaumes. Weil ihm diese Sorte unbekannt war, hat er sich an Fachleute gewandt.

Herbert van Hüllen in der weißen Wolke seines Sauerkirschbaumes. Weil ihm diese Sorte unbekannt war, hat er sich an Fachleute gewandt.

Foto: A. Woitschützke

Die Tage der Obstbaumblüte erlebt Herbert van Hüllen wie in einer weißen Wolke. Denn hinter seinem Haus an der Körnerstraße steht ein wirklich schöner Sauerkirschbaum. Gepflanzt wurde er schon vor dem Zweiten Weltkrieg, weiß van Hüllen. Und dass sein Baum von einer Sorte ist, wie er sie noch nie gesehen und gekostet hat. Deshalb hat er den Botanischen Garten in Aachen, der sich Kultur und Unterhaltung von Pflanzensammlungen in Zusammenarbeit mit Gärten im In- und Ausland zur Aufgabe gemacht hat, auf seine ganz besondere Sauerkirsche aufmerksam gemacht.

Auf ganz besondere Obstbäume ist auch die Biologische Station im Rhein-Kreis erpicht. Vor zwei Jahren hatten die Biologen aus Zons gemeinsam mit dem Landschaftsverband Rheinland ein Projekt gestartet, dass Erfassung, Erhalt und Vermehrung lokaler Obstsorten verfolgt. Gesucht wurden Bäume, deren Früchte Namen tragen, die an keiner Supermarkttheke zu finden sind. Ein Aufruf, der ein großes Echo fand, bestätigt Thomas Braun, Nur aus Neuss wurde ihm keiner dieser "Sonderlinge" gemeldet. Noch nicht.

Braun nennt diese lokalen Sorten ein Kulturgut. Jede von ihnen repräsentiere eine fast verloren gegangene regionale Identität, die sich früher eben nicht nur in Sprache, Architektur und Brauchtum äußerte, sondern auch an dem ablesen ließ, was im "Bongert" hinter Haus und Hof so alles an Obstsorten zu finden war.

Ein Beispiel, wie sich einiges davon mischt, ist die so genannte Puspas-Birne, die Braun nur vom Hörensagen und aus Auflistungen kannte. Diese Kochbirne, die mit Möhren und Kartoffeln durcheinander zubereitet wurde, gab in Möchengladbach-Neuwerk aber auch in Jüchen der Kirmes ihren Namen. Inzwischen sind wieder fünf Bäume an vier Standorten nachgewiesen. Auch die Grevenbroicher Knorpelkirsche, die Braun bis zu seinem Aufruf nur dem Namen nach kannte, ist wieder aufgetaucht. Sogar in zwei Varianten.

Gefunden wurde auch die Huetjens-Birne, von der Braun nur einen einzigen Baum in einem Wädchen bei Mönchengladbach benannt bekam. "Aber das reicht", sagt der 41-jährige Landschafts-Ökologe, der auch von der Apfelsorte "Nimmermür" (deren Frucht nimmer mürbe wird), nur einen Baum in Glehn kartieren konnte.

Ob im Garten von Herbert van Hüllen auch eine regionale Rarität blüht, war für den Architekten zweitrangig. Bislang. Aber der Baum, der bei der ersten Hausbesichtigung 1984 auch in Blüte stand, war für ihn und seine Frau letztlich mit kaufentscheidend. Und er hängt an ihm. Als seine Kirsche vor Jahren von Feuerbrand befallen wurde und kümmerte, half letztlich nur ein Ultimatum. Van Hüllen: "Ich habe ihr gesagt: Nächstes Jahr blühst du wieder, oder du kommst weg." Und sie blühte.

(NGZ)
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