Neuss Kündigung zum Fest

Neuss · Neuss Für Wohnungslose in Neuss ist sie (fast) ein Zuhause: die Fachberatungsstelle "Café Ausblick". Gestern wurde das 20-jährige Bestehen dieser Einrichtung des Caritas-Verbandes an der Hochstraße gefeiert, doch eine schlechte Nachricht überschattete das Fest: Ein Kündigungsschreiben des Vermieters liegt vor.

Neuss: Kündigung zum Fest
Foto: NGZ-Online

Mittwoch wird ein Gespräch mit dem Besitzer über die Zukunft dieser Einrichtung entscheiden, deren Gründung von Protesten begleitet war und der nun die Vertreibung aus der Innenstadt droht.

"Wir sind sehr verunsichert", gab Reinhard Döhring die Stimmungslage der Caritas-Geschäftsführung vor diesem Gespräch wieder, "aber wir hoffen, dass der neue Vermieter den Vertrag übernimmt." Zur Verunsicherung trägt bei, dass das fünfstöckige Gebäude über eine Zwangsversteigerung nicht an einen privaten Käufer gekommen ist, sondern von einem Finanz-Investor erworben wurde.

Welche Ziele der wohl vorrangig verfolgt? Was die Verhandlungsposition der Caritas stärken könnte, ist die Tatsache, dass in dem - schon mehrfach zwangsversteigerten - Haus die Mieter kamen und gingen, die Caritas aber bleib. "Wir sind verlässliche Partner", sagt Döhring, der gleichwohl klarmacht.

Eine Trennung der Kontaktstelle "Café Ausblick" im Erdgeschoss von der Fachberatungsstelle begleitendes Wohnen für Suchtkranke im fünften Stock wird es nicht geben. Es geht nur beides - oder gar nichts.

Dass die Einrichtung große Wertschätzung in Stadt und Rhein-Kreis genießt, unterstrichen gestern die Sozialdezernenten Peter Söhngen und Stefan Stelten. Man müsse aufpassen, so Stelten, dass durch die Umwälzungen in der Sozialgesetzgebung "Einrichtungen wie diese nicht beschädigt werden."

Und Peter Söhngen bestätigte für die Stadt, dass die vor 20 Jahren getroffene Entscheidung richtig war. Damals stimmte eine Mehrheit dafür, den Wohnungslosen in Neuss mit den Instrumenten der Wohlfahrtspflege zu helfen und sie nicht zum Gegenstand der Ordnungspolitik zu machen.

"Es gab viele Leute, die bei diesem Thema gleich die Artillerie rausholen wollten", erinnerte er an harte Diskussionen.

Die wurden auch in der Öffentlichkeit geführt, und mit zum Teil schrillen Tönen. "Selbst daheim am Telefon wurde ich beschimpft und beleidigt", erinnerte der stellvertretende Landrat Hermann-Josef Dusend, der seinerzeit Caritas-Direktor war und als Vater des "Café Ausblick" gilt.

Mit der Eröffnung verstummten jedoch die Beschwerden. Das "Café Ausblick" errang Akzeptanz und auch Rückhalt in der Nachbarschaft. "Weihnachten spenden uns viele Nachbarn Kuchen", nannte Caritas-Direktor Norbert Kallen ein Beispiel.

Und auch in der Berichterstattung wurden die Formulierungen freundlicher: Der Begriff Nichtsesshafte löste die Bezeichnung Stadtstreicher ab. Heute wird nurmehr von Wohnungslosen gesprochen.

Die Einrichtung selbst und ihre Aufgabenstellung wandelten sich im Laufe der Jahre einige Male, erklärt Werner Hein, der Leiter dieses Fachbereiches der Caritas.

Sie blieb jedoch immer anziehend - für viele Menschen am Rande der Gesellschaft, aber auch für andere Dienste, die mit ihnen zu tun haben. Neben der Caritas zog ein Unternehmen ein, das ein Schulden- und Krisenmanagement anbietet, weitere Büros mieteten gesetzliche Betreuer an. Denen wurde auch gekündigt.

(NGZ)
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