Kreistag entscheidet heute Kritik an Mietspiegel des Kreises reißt nicht ab

Neuss · Das Tauziehen in der Frage, welche Mietkosten der Kreis für Hilfeempfänger als angemessen anerkennt und erstattet, geht weiter. Zum zweiten Mal soll der Kreistag heute über die Fortscheibung des sogenannten grundsicherungsrelevanten Mietspiegels entscheiden.

Frank Lubig ist Vorstandssprecher des Neusser Bauvereins.

Foto: Woitschuetzke,Andreas (woi)

Doch auch wenn die Sätze im Vergleich zu den derzeit geltenden Obergrenzen angehoben wurden, stößt das Zahlenwerk nicht nur bei der Wohnungswirtschaft auf Kritik. „Das geht an den sozialpolitischen Zielsetzungen des Landes vorbei und führt die Landesförderung ad absurdum“, schimpft Frank Lubig, Vorstandssprecher des Neusser Bauvereins. Und Carsten Thiel, Fraktionsvorsitzender der UWG im Kreistag, wettert: „Kaltmieten im Fünf-Euro-Bereich gehen völlig an der Realität vorbei.“ Sie anzusetzen sei „lächerlich und unsozial“.

Die Obergrenze dessen, was der Bauverein für öffentlich geförderte Wohnungen verlangen darf, liegt in Neuss bei derzeit 6,20 Euro pro Quadratmeter – kalt, versteht sich. Doch das erstattet der Kreis nicht. Konsequenz: In die gut 600 öffentlich geförderten Wohnungen, die der Bauverein derzeit plant oder in Bau hat, wird nie jemand einziehen, der Hartz IV bezieht. „Ich kann nicht mit Verlust vermieten“, sagt Lubig.

Die Lücke zwischen der vorgegebenen Mietobergrenze und den Kosten der Unterkunft (KDU), die der Kreis mit Wirkung zum 1. Februar hinaufsetzen will, sind das Problem. Das sieht man auch im Rathaus so. „Der Mietspiegel bildet die Wirklichkeit nicht ab“, sagt Pressesprecher Peter Fischer. Sozialdezenrnent Ralf Hörsken hat deshalb um ein Gespräch mit Kreisdirektor Dirk Brügge gebeten, doch das kommt erst Ende Januar zustande.

Den Sozialdezernenten waren die Daten schon Ende November vorgestellt worden. Bedenken gegen die Methodik der beauftragten Gutachterfirma erhoben sie nicht. Vielleicht, weil mittlerweile nicht nur die Bestands-, sondern auch die meist höheren Angebotsmieten als Datenbasis einbezogen wurden, vermutet Lubig. Trotzdem wirft die Methodik Fragen auf. Warum zum Beispiel akzeptiert der Kreis, der seinen Mietspiegel in sechs Räume gliedert, in Dormagen durchgängig höhere Mieten als in Neuss, das eher auf Korschenbroicher Niveau liegen soll? „Ist Dormagen so ein Hot-Spot?“, fragt Lubig.

Der Neusser Rat ist mit Mehrheit überzeugt: Die bestehenden Wohnprobleme werden durch das Missverhältnis zwischen den Angemessenheitsgrenzen und den tatsächlichen Wohnungsmieten mitverursacht. Ziel müsse die uneingeschränkte Übernahme der Mieten sein. Kostensenkungsverfahren – gemeint sind Sanktionen gegen Hilfeempfänger, die in „unangemessenen“ Wohnungen leben – sollte ausgesetzt werden, bis genug bezahlbarerer Wohnraum besteht.