Neuss Kritik an EU-Kompromiss

Neuss · Energieintensive Industrien wie die Neusser Aluminiumhütten dürfen auf einen zeitlich befristeten Ausgleich von indirekten Energiekosten hoffen. Ein Vorschlag der EU-Kommission dazu liegt auf dem Tisch und trifft auf Widerstand.

Die Europäische Kommission hat gesprochen — aber das Damoklesschwert einer möglichen Schließung schwebt weiter über dem Rheinwerk. Denn das erste offizielle Papier aus Brüssel zur Frage der Kompensationszahlungen an die besonders energieintensiven Industrien und damit auch an die Aluminiumindustrie im Rhein-Kreis mit ihren 5000 direkt betroffenen Arbeitsplätzen, das am Mittwoch verbreitet wurde, bleibt hinter den Vorstellungen der deutschen Seite zurück. Und es birgt Überraschungen, gegen die sich schon politischer Widerstand regt.

Um die Chancengleichheit der deutschen Hütten im weltweiten Wettbewerb zu sichern, fordern Politiker wie Gewerkschaften, Verbände wie die Unternehmen selbst eine volle Erstattung der Kosten, die als CO2-Abgabe auf den Strompreis abgewälzt werden. Das würde etwa 17 Euro je Megawattstunde Energie ausmachen. Doch so weit geht der EU-Vorschlag nicht.

Statt einer 100-prozentigen Kompensation soll der Bund ab 2013 nur bis maximal 85 Prozent dieser indirekten Stromkosten den Hütten erstatten dürfen. Ab 2016 sinkt diese Obergrenze auf 80, und für die Jahre 2019 bis 2020 auf 75 Prozent. Insgesamt wären die Zahlungen also zeitlich befristet. "Die vorgeschlagene Abschmelzung der Beihilfenintensität ist nicht akzeptabel", betonte NRW-Wirtschaftsminister Harry K. Voigtsberger.

Der Europa-Abgeordnete Karl-Heinz Florenz wundert sich zunächst über diese Zahlen. In keiner der vielen Debatten in den vergangenen zwei Jahren sei von 85 Prozent die Rede gewesen. "Was die EU-Kommission da macht, war nie politischer Wille im Europaparlament. Dass das auf die kalte Tour eingeführt wird, gefällt mir nicht."

Noch viel bedenklicher aus Sicht der Wirtschaftsvereinigung Metalle ist, dass zur Berechnung nicht aktuelle Produktion beziehungsweise Stromverbräuche herangezogen werden, sondern vielmehr ein Querschnitt der Jahre 2005 bis 2011 ermittelt werden soll. Damit kämen auch die Jahre der Wirtschaftskrise in die Rechnung, in der viele Hütten ihre Produktion zurückfuhren. Für Kapazitätserweiterungen wäre damit nur ein anteiliger Ausgleich möglich. "Das hemmt Investitionen", erklärt Thomas Mock, Sprecher der Hydro Aluminium Deutschland GmbH. "Völlig unangebracht", nennt der Neusser Bundestagsabgeordnete Hermann Gröhe diese Herangehensweise. Und der Europa-Abgeordnete Florenz staunt: "Ich weiß nicht, warum man das so schwerfällig macht."

(NGZ/rl)
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