Neuss Klage gegen Acument-Kündigung

Neuss · Optimierung war ein Schlüsselwort im Sanierungskonzept, mit dem der Rechtsanwalt Wolf-Rüdiger von der Fecht als Insolvenzverwalter den Automobilzulieferer Acument zukunftsfit machen wollte. Was Optimierung heißen kann, bekam Nazmiye B. zu spüren. Ihr wurde gekündigt, sie allerdings will weiterarbeiten. Nachdem eine gütliche Einigung keinen Erfolg hatte, trafen sich beide Parteien gestern vor dem Arbeitsgericht. Zum inzwischen dritten Mal.

Im August 2009 hatte Acument Deutschland, damals im Besitz eines amerikanischen Finanzinvestors, Insolvenzantrag gestellt. Das Verfahren endete schließlich mit dem Verkauf an den indischen Ruia-Konzern, der die Schraubenfabrik in Neuss weiterführt. Das rettete zwar mehr als 200 Arbeitsplätze in Neuss, doch 88 Beschäftigte hatten im Zuge des Verfahrens ihre Stelle verloren, waren zu einem Teil in eine Auffanggesellschaft überführt worden.

Unter den Gekündigten war auch die 56-jährige Türkin Nazmiye B.. Warum die schwerbehinderte Frau ihren Job in der Schraubensortierung verlor, konnte die Anwältin des Insolvenzverwalters gestern nach Ansicht der Kammer nicht überzeugend darlegen. Trotz Hinweis auf eine Bewertung unter Sozialgesichtspunkten. Und Sabine Kilper, Anwältin von Nazmiye B., setzte nach: Die Arbeit, die die Türkin leistete, fällt immer noch an, wird heute allerdings von mehreren Hausfrauen auf 400-Euro-Basis geleistet. Die seien flexibler und stünden auf Abruf bereit, begründete die Firmenanwältin – doch ob sich nicht auch die Türkin so flexibel zeigen könnte, wurde nie gefragt.

In der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung hatte der Insolvenzverwalter erst eine Abfindung von 15 000 Euro in Aussicht gestellt, gestern lag man schon bei 50 000. Ein Vorschlag der Richterin, die sich bei der Errechnung dieser Summe vom so genannten Regelsatz leiten ließ: pro Arbeitsjahr ein halbes Monatsgehalt. Und Arbeitsjahre hat die Türkin in Fülle. Im November 1973 begann sie ihre Arbeit in dem Werk, das damals noch Baur & Schauerte hieß. In den 37 Jahren seitdem erlebte sie mehrere Verkäufe, drohende Schließungen und stand am Ende mit der Belegschaft auch ein Jahr des Insolvenzverfahrens durch. Zum September 2010 dann bekam sie die Papiere. Mit 56, so ihre Anwältin, ist Nazmiye B. ohne Chance auf dem Arbeitsmarkt - "und noch weit von der Rente entfernt." Statt der Abfindung hatte diese zum Schluss des Verfahrens deshalb einen anderen Wunsch: "Weiterarbeiten."

(NGZ)
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