Stadt Neuss hält an Erdbestattung fest Kirchen stoppen Bestattungspläne
Neuss · Die Stadt wollte Verstorbene, die auf Anordnung des Ordnungsamtes beigesetzt werden, künftig generell einäschern lassen. Die Politik wollte vor einer solchen Entscheidung die Kirchen hören. Die rügen einen solchen „Kulturwandel“.
Die Kirchen haben ein Machtwort gesprochen – und die Verwaltung fügt sich. Bei den jährlich etwa 120 vom Ordnungsamt angeordneten Beerdigungen bleibt auch künftig die Erdbestattung die Regel. Die generelle Feuerbestattung, die die Stadt für jene Sterbefälle vorsehen wollte, bei denen in der gesetzlichen Frist keine Angehörigen zu ermitteln sind, ist damit vom Tisch. Eingeäschert und in einer Urne beigesetzt wird nur, wer das zu Lebzeiten ausdrücklich so erklärt hat. Namentlich die CDU begrüßt den Ausgang dieser Debatte, bei der sie ethische Fragen über die „Einsparmöglichkeit“ , die die Stadt mit jährlich 90.000 Euro beziffert, stellte. „Man kann nicht alles nur unter Kostengesichtspunkten regeln“, sagt die Fraktionsvorsitzende Helga Koenemann.
Die Stadt hatte, nachdem ein solcher Vorstoß schon einmal im Jahr 2015 abgeblockt worden war, im September erneut versucht, die bisher übliche Praxis zu ändern. Dabei argumentierte sie mit einer geänderten Bestattungskultur und dem Hinweis, dass auch in Neuss inzwischen die Zahl der Feuer- über der der Erdbestattungen liegt. Das Faktum mag stimmen, die Argumentation aber kaufen die Kirchen der Verwaltung nicht ab. Ihre Repräsentanten sind nach einem Gespräch im Rathaus überzeugt: Eigentliches Motiv ist die Klage eines Angehörigen, den die Stadt doch noch ermitteln und zur Kostenübernahme anhalten konnte. Der wollte aber nicht die Kosten der Erdbestattung übernehmen, weil eine Feuerbestattung preiswerter ist.
Die Kirchen waren auf Wunsch und Beschluss der Politik in die Debatte eingebunden und um eine Stellungnahme gebeten worden. Die liegt nun vor und ist überdeutlich. „Die Verbrennung bedeutet die Vernichtung des Leichnams, der für die verstorbene Person steht“, schreiben Kreisdechant Guido Assmann (katholische Kirche), Pfarrer Sebastian Appelfeller (evangelisch) und Erzpriester Panagiotis Tsoubaklis (griechisch-orthodox). Sie bedauern die städtischen Pläne „zutiefst“, wie sie betonen und sprechen von einem „großen Kulturwandel“. Bei Angehörigen ihrer Glaubensgemeinschaften müsse „davon ausgegangen werden, dass die Erdbestattung ihrer Glaubensüberzeugung entspricht“, heißt es in dem Schreiben, das diese Annahme auch theologisch begründet. Auch bei Menschen jüdischen und muslimischen Glaubens sei von dieser Haltung „vernünftigerweise auszugehen“. Und: Wer bleibt dann noch außer denen, die eine Feuerbestattung ausdrücklich wünschen?
Die Stadt hält also an der bisherigen Regel fest, erklärt Ordnungsdezernent Holger Lachmann, ändert allerdings die Abrechnungspraxis. Sollten nach einer vom Ordnungsamt angeordneten Bestattung überhaupt Angehörige zu ermitteln sein, wird diesen künftig nur der Betrag für eine Feuerbestattung in Rechnung gestellt. Die 900 Euro Kostendifferenz zu einer Erdbestattung übernimmt die Stadt, sagt Lachmann, „finanziert aus dem Etat zur allgemeinen Gefahrenabwehr“ — weil die Stadt gesetzlich zur Beisetzung eines Verstorbenen in einer bestimmten Frist verpflichtet ist.
Immer öfter aber ist es der Fall, dass die Verstorbenen keine Angehörigen mehr haben. Die Betreuungsstellen am Amtsgericht wüssten davon ein Lied zu singen, sagt Helga Koenemann. Sie rät jedem, für seine eigene Beerdigung Vorsorge zu tragen. Aus der Vereinsamung am Lebensende resultiert noch ein anderes Problem: Um die schlichten Gräber dieser, auf Anordnung des Ordnungsamtes beigesetzten Toten kümmert sich niemand. Sie verwildern. Wie dem begegnet werden kann ist eine Frage, zu der die Verwaltung nach Lachmanns Darstellung aktuell Ideen entwickelt. Die Kirchen haben auch dazu eine Meinung. „Das Grab kann pflegeleicht sein, muss aber als Grab eines Menschen erkennbar und mindestens mit Namen versehen sein.“