Neuss Kinder gründen eigene Stadt

Neuss · Wie funktioniert Demokratie? Was beeinflusst die Wirtschaft? In der KjG-Kinderstadt machten jetzt Acht- bis Zwölfjährige aus der Further Pfarrgemeinde St. Josef "spielend" wichtige Erfahrungen mit der Erwachsenenwelt.

 Nach dem Projekt wissen die Kinder aus St. Josef mehr über Arbeit, Zusammenleben und soziale Regeln.

Nach dem Projekt wissen die Kinder aus St. Josef mehr über Arbeit, Zusammenleben und soziale Regeln.

Foto: privat

Dem Cafébetreiber fehlen Kellner – und die Agentur für Arbeit führt in ihrer Kartei sieben Arbeitslose. Die aber haben keine Lust, Gäste zu bedienen. "Manche lassen sich lieber Hartz IV geben", sagt Paula, die ihren Traumjob im Frisiersalon nicht bekam, "aber Arbeiten ist schöner." Ein "pädagogisches Großspielprojekt" nennt die Katholische junge Gemeinde (KjG) im Erzbistum Köln die fünftägige Veranstaltung in Hilden, an der 18 Mädchen und Jungen aus der Pfarre St. Josef teilnahmen – und begeistert waren.

In der Fabricius-Halle hatten mehr als 50 Helfer eine Stadt im Miniformat mit Infrastruktur für rund 180 "Bewohner" aufgebaut: Tagsüber gingen die Kinder ihren Tätigkeiten in den 34 Betrieben von Bauamt über Fotostudio, Post und Druckerei nach, ließen sich ihren Lohn in der stadteigenen Währung "Tacken" bei der Bank ausbezahlen. Abends besuchten sie das Kino oder ließen sich vom Taxi zur Pizzeria oder in den Pub chauffieren. Für die lokalen Sendeanstalten wurden Radiobeiträge und Fernsehnachrichten produziert. Kleine Blessuren wurden im Krankenhaus behandelt. Die Postmitarbeiter trugen Briefe aus, in der Schreinerei bauten die Kinder Verkehrsschilder, und das Touristikbüro bietet für auswärtige (erwachsene) Besucher Stadtführungen an.

Seine Aufgabe als Straßenreiniger beispielsweise erfüllte Johannes gewissenhaft. Mehr Spaß machte dem Neunjährigen allerdings die Arbeit in der Online-Redaktion. Ärger gab es öfter mit dem Ordnungsamt, wie Nilofa klagt, "ich musste Bußgeld bezahlen." "Ja", bestätigt Johannes, "manche wollten gern beim Ordnungsamt arbeiten, um über andere zu bestimmen oder offene Rechnungen zu begleichen."

Doch ungeachtet solcher Willkür lernten die Kinder auch viel über demokratische Abläufe. So erarbeiteten sie zu Beginn ein Regelwerk für das Zusammenleben und wählten zwei Bürgermeister – wie in der KjG weiblich und männlich besetzt –, die in ihrem ersten Interview erklärten: "Wir wollen, dass die Stadt glücklich ist und jeder nur arbeitslos wird, wenn er es will."

Die Stadtoberhäupter erhielten übrigens gleich Besuch aus dem Hildener Rathaus. Bürgermeister Horst Thiele ließ es sich nicht nehmen, den jungen "Kollegen" zu gratulieren und sie in sein Amtszimmer einzuladen. "KjG steht für Demokratie, Kindermitbestimmung, Geschlechtergerechtigkeit und Verantwortung für die Umwelt", resümiert KjG-Diözesanleiter Benedict Martin, der aus dem Neusser Norden stammt, "selten habe ich das so direkt erleben dürfen wie in der Kinderstadt." Ein besonderer Ort war die Kinderstadt-Kirche, die nach dem Patron der KjG St. Thomas Morus benannt wurde. "Obwohl es in der Kinderstadt fröhlich und friedlich zugeht, kommt es doch hin und wieder zu Konflikten", erzählt Peter Otten, Geistlicher Leiter der KjG im Erzbistum Köln, "dann kommen Kinder alleine oder mit ihren Gruppenleitungen zur Kirche und suchen Rat."

Neben einem Stadtwappen gab es auch ein Kinderstadt-Lied, das bei den Kleinen großen Anklang fand. Noch auf dem Heimweg war im Zug vielstimmig zu hören: "Lass das mal die Kinder machen!"

(NGZ)
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